(Erlebt in »PSP@Night«-Vision mit Sennheiser HD 590 Sound)
Im Jahre 2004 begaben sich Gruselfans zuletzt in die Kleinstadt des Grauens: Silent Hill 4 war ein umstrittener Teil der Serie. Die Entwickler wollten was Neues probieren, doch das Konzept gefiel dem harten Kern der Fans nicht mehr. Außerdem wurde der wahrscheinlich nervigste aller Gegner erschaffen - Geister, die man nicht für immer ruhigstellen kann! Die Fans wünschten sich die Rückkehr zu den Wurzeln der Stadt, den Wurzeln der Serie. Die Kritiker forderten »frisches Blut« und endlich ein funktionierendes Kampfsystem.
Silent Hill 0rigins
- wobei das »O« nicht umsonst mit einer Null geschrieben wird - hat ein wenig auf sich warten lassen, doch unterm Strich hat es sich gelohnt. Den Wünschen der Fans Rechnung tragend, hat man es hier mit einem »Prequel« zu tun. Endlich wird das Mysterium um Alessa gelüftet... oder...?
Travis Grady stolpert, oder vielmehr, fährt ahnungslos mit seinem Truck in die Geschichte von Silent Hill und wird ganz klassisch das Opfer eines Verkehrsunfalls der mysteriösen Sorte. Von dem Erlebnis aufgewühlt, auf der Suche nach Hilfe, findet er zu allem Überfluss ein brennendes Haus vor, aus dem er ein schwer verletztes Mädchen rettet. Diese Heldentat tritt jedoch eine Reihe sehr merkwürdiger Ereignisse los, und Travis sieht sich plötzlich mitten in einer Welt, die komplett aus den Fugen gerät. Aber wir wollen nicht zu viel verraten...
Bei diesem wilden Trip kann man nicht schlecht staunen: Das Spiel sieht, insbesondere für die Verhältnisse auf tragbaren Spielgeräten, einfach umwerfend aus. Man könnte glauben, man hätte fast alle Details der »großen Brüder« auf die PSP übertragen können. Insbesondere auffällig sind die tollen Licht- und Schatteneffekte, zum Beispiel beim Einsatz der Taschenlampe. Auch mit den anderen Effekten wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt: Fließend im Spiel verankerte Schockmomente, gruselige Schmutzfilter (man denke an schmutzige Filmstreifen) bei Gegnerkontakt und der in der Serie seit Teil 2 zur Pflicht gewordene »Rauschfilter« machen ordentlich was her.
Silent Hill.
Braucht man mehr zu sagen über die Akustik des Spiels? Akira Yamaoka hat sich nicht lange bitten lassen, einen weiteren genialen Soundtrack für dieses Spiel zu entwerfen, der gekonnt die Urtiefen des Industrial mit melancholischem Rock vermischt. Sogar die Soundeffekte sind zum Teil neu - zum Teil? Nun, Fans von Silent Hill wollen niemals gewisse Geräusche im Spiel missen, zum Beispiel das Poltern einer Tür, wenn sie mal wieder verklemmt ist und sich niemals öffnen lässt.
»Let the battle begin!«
Das dachten sich wohl die Leute beim Entwicklerstudio Climax, als sie das Spiel in Auftrag bekamen. Wirklich: Wer will, kann sich in Silent Hill wohl fühlen wie ein Wrestler beim Battle Royal. So ziemlich jeder Gegenstand kann von Travis als Waffe missbraucht werden. Sei es ein Messer, ein Beil, ein Fernseher, eine Schreibmaschine oder ein Infusionsständer (tolle Reichweite!) und vieles mehr.
Natürlich gibt es auch einige Schusswaffen, die den hübsch gestalteten und eklig wirkenden Monstern das Licht auspusten können. Auf keinen Fall soll man aber nun denken, dass Origins ein Actionspiel geworden wäre. Nein, dafür ist es zu träge und die Kämpfe laufen weiterhin zu undynamisch ab. Es gibt dennoch für die Pazifisten unter den Spielern noch die Möglichkeit, unterzutauchen. Sobald es im Spiel dunkel ist, kann man das Licht und das Radio ausschalten, und auf diese Weise kampflos an den meisten Gegnern vorbeischleichen.
Kommt es aber zum Kampf, gibt es Dinge, die den geneigten Spieler gerne mal frustrieren, zum Beispiel ringende Gegner, die sich festhalten und dann eine Knopf-Kombination im Stil von »God of War« erfordern, um sie wieder loszuwerden. Doch es gibt noch einen viel größeren Feind.
Dein Feind, die Kamera.
Nicht selten kommt man in Silent Hill Origins in Kampfsituationen, die unübersichtlich werden, weil die Steuerung im Kampf und die Ausrichtung der Kamera zur gleichen Zeit nicht glücklich gelöst worden ist. Um sich neu zu positionieren, muss man den Blick vom Gegner lassen und ihn anschließend wieder suchen, was leider nicht immer gelingt. Die fehlende Dynamik im Kampf stört, wenn man festgehalten wird oder Travis einfach zu langsam reagiert um einen gegnerischen Schlag zu vereiteln. Das kostet Travis unnötig Gesundheitsdrinks und den Spieler unnötig Nerven. Hardcore-Silent-Hill-Fans bitte weghören: Hier wäre ausgefeiltere Action sinnvoller gewesen.
Leider besitzt Silent Hill Origins keine Möglichkeit zur Regelung des Schwierigkeitsgrads. Fans der Vorgänger waren in der Hinsicht geradezu verwöhnt, konnte man teilweise sogar Action- und Rätselstufe separat einstellen. Apropos Rätsel: Diese sind durchaus auf einem guten Niveau, wobei die wirklichen Kopfnüsse, wie in den alten Spielen, aber ausbleiben. Nach dem ersten kompletten Abenteuer ist man hier noch lange nicht am Ende. Silent Hill Origins bietet natürlich mehrfache Enden (drei in diesem Falle) und jede Menge Extras, die man nur zu Gesicht bekommen kann, wenn man das Spiel mindestens ein zweites Mal durchgespielt hat. Dass sich dieses Unterfangen lohnt, braucht nicht weiter begründet zu werden. Man bekommt definitiv sehr viel für das Geld geboten.
Man muss gar nicht weiter betonen, wie hervorragend das Spiel technisch in Szene gesetzt wurde. Die Ladezeiten sind erträglich, ganz wie bei den Vorbildern, und alles wirkt aus einem Guss. Somit kann man die Präsentation insgesamt nur loben und mit der vollen Punktzahl versehen. Bis auf die obigen Fehlerchen ist das Spiel sehr ansprechend gestaltet, auch und vor allem die Story, die in Silent Hill schon immer wichtig war, vermag zu überzeugen. Dass unser lieber Travis natürlich nicht umsonst in der Stadt gestrandet ist, kann man sich schon denken. Doch welche Rolle er spielt und welches Geheimnis ihn umgibt, das erfährt man am Besten, wenn man es selbst spielt.
Unterwegs
ist das Spiel nur bedingt zu empfehlen, allein aufgrund der gruseligen Atmosphäre und dunklen Bilder sollte man es nicht im Zug auf dem Weg zur Uni spielen. Immerhin haben die Entwickler auch an das grelle Tageslicht gedacht und in den Einstellungen einen Helligkeitsregler untergebracht, mit dem man auch unterwegs problemlos die Stadt besuchen kann.