Tony Hawk´s Proving Ground
Seid ihr schon einmal auf einem Brett mit vier Rollen darunter eine Geländer herunter gerutscht, habt eine riesige Treppe mit nur einem Satz genommen und dabei auch noch die Kamera laufen lassen? Nein? Nun, deshalb seid ihr wohl auch nicht so reich und berühmt wie die Stars aus der professionellen Skater-Szene. Mit dem richtigen Können stößt man als Skater heute in Popularitäts-Regionen, von denen man früher nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Ganz oben steht dabei wohl Tony Hawk, der mittlerweile auch Leuten, die nicht mit der Szene vertraut sind, ein Begriff sein dürfte. Dies wohl auch nicht zuletzt dank der unzähligen Spielecover in Elektro-Märkten und Videospielläden, auf denen in großen Lettern sein Name prankt. Der mittlerweile neunte Teil der Tony Hawk-Skateboard-Reihe ist nun erschienen und will an den unvergleichlichen Erfolg dieser Serie, die dieses Genre erst salonfähig gemacht hat, anschließen.
Spielmodi und Gameplay
Proving Ground bietet einen Zwei-Spieler und Online-Modus, Dreh- und Angelpunkt ist jedoch der Karriere-Modus. Hat man sich seinen Skater aus unzähligen Einstellmöglichkeiten für Gesicht, Körperbau und Kleidung zusammengebastelt, geht es auf die Straßen der Fantasie-Nachbauten amerikanischer Metropolen wie Washington D.C, Baltimore und Philadelphia. Das sehr gute und verständlich gestaltete Tutorial hilft einem dabei, das Grundprinzip von Proving Ground zu verstehen, welches lautet: fahrt nach belieben in der Stadt umher, sucht nach Herausforderungen in Form von Aufträgen und verdient dadurch Ruhm und Ansehen. Dabei dienen die digitalen Konterfeis echter Skater als eure Anlaufstelle und repräsentieren auch gleichzeitig die drei verschiedenen Richtungen, in welche man sich während der Karriere entwickeln kann. Arto Saaritake steht z.B. für den Karriere-Bereich: hier geht es hauptsächlich darum, berühmt zu werden und viel Geld zu verdienen. Dafür bestreitet man offizielle Wettbewerbe in Skateparks oder lässt Videos von sich drehen, während man spektakuläreTricks hinlegt. Für jeden erfolgreich ausgeführten Auftrag hagelt es Geld und Karriere-Punkte. Mike Vallely oder Dustin Dollin repräsentieren die Hardcore-Szene, in welcher es primär darum geht, möglichst spektakuläre und eigentlich unmögliche Tricks hinzulegen. Jeff King schließlich vertritt den Rigger-Bereich in Tony Hawks Proving Ground: Rigger sind Skater, die sich nicht auf vorgegebene Parcours begeben, sondern selbst Hand anlegen und aus allen möglichen Teilen wie Rohren oder Brettern eigene Rampen bauen, um so Gebiete zu erreichen, in die noch nie ein Skater vorgedrungen ist. Mit Hilfe der Back-Taste lässt sich dafür jederzeit ein Rigger-Menü öffnen, aus dem man sich aus insgesamt 31 Objekten seine Lieblinge wie Rampen oder Rails aussucht und nach Belieben in der Umwelt platziert.
Doch egal, für welche dieser Richtungen man sich auch entscheidet; für erfüllte Aufgaben gibt es neben dem obligatorischen Dollar auch Fertigkeitspunkte, welche wiederum eure Fähigkeiten verbessern und benötigt werden, um allerlei nützliche Dinge freizuschalten. Dazu gehören unter anderem neue Tricks, Klamotten oder Gegenstände für den Riggermodus. Für die nötige Motivation ist also gesorgt. Auch entdeckungsfreudige Skater werden bei Proving Ground auf ihre Kosten kommen. Die Stadt, deren Gebiete nach und nach freigeschaltet werden müssen, strotzt nur so vor Objekten, auf denen Tricks vollführt werden können. Quasi auf jedem Bordstein, Geländer oder parkenden Auto lassen sich Grinds oder Sprünge hinlegen. Neben den Hauptaufgaben sind noch sogenannte Challenges über die komplette Stadt verteilt, die entweder von euch verlangen, eine gewisse Strecke zu Grinden, an einer bestimmten Stelle ein spektakuläres Foto von euch zu schießen oder ein Video zu drehen, welche auch gespeichert werden können. Die Vielfalt ist beeindruckend, Kenner der Serie werden jedoch viele davon bereits aus älteren Teilen kennen. Anfänger wie Profis wird es zudem freuen, das jede Aufgabe in drei Schwierigkeitsgrade unterteilt ist. So kommt es selten zur Über- bzw. Unterforderung. Zur leichteren Orientierung in der Stadt wurde ein praktisches Weg-Punkte System integriert, das einem sicher den Weg zur nächsten Aufgabe weißt; sehr praktisch, vor allem weil für einen Blick auf die Karte immer erst umständlich ins Pause-Menü gewechselt werden muss. Die Skate-Lounge dient euch als Rückzugspunkt bzw. Basis, in der ein Skatepark nach eigenen Wünschen gestaltet und der eigene Skater bearbeitet werden kann.
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Tricksystem und Steuerung[/b]
Wenn die Tony Hawk-Reihe eine gute Eigenschaft über alle Serien-Teile mitgenommen hat, dann ist es das sehr gute Tricksystem, welches quasi unverändert geblieben ist und um neue Fähigkeiten erweitert wurde. Nach wie vor führt ihr mit mit der X, Y und B-Taste Flips, Grinds und Haltetricks aus. Die Kombinationsmöglichkeiten sind riesig und durch Manual-Tricks, mit denen man auf lediglich zwei Rollen über den Asphalt rollt, können Profis sehr lange Trickkombinationen hinlegen, die das Punktekonto rasend schnell explodieren lassen. Der in Project 8 eingeführte Nail the Trick-Modus, bei dem in Zeitlupe mit Hilfe der beiden Analogsticks die Füsse separat gesteuert werden können, um auf diese Weise eigene Tricks zu kreieren, wurde um Nail the Manual und Nail the Grab erweitert, bei dem nun auch die Arme und Beine zum Einsatz kommen. Hinzu kam auch der Aggro-Kick, mit dem kurzzeitig extra Schwung geholt wird, um besonders große Abgründe zu überwinden oder hohe Sprünge zu ermöglichen. Das richtige Timing ist dabei entscheidend. Später kommen noch weitere Fähigkeiten hinzu wie der Aggro-Push (an Wänden abstoßen), Aggro-Skitch-Boost (von fahrenden Autos abstoßen) oder der Skate-Check, mit dem unvorsichtige Fußgänger aus dem Weg geräumt werden.
Auch die Steuerung ist glücklicherweise unverändert geblieben und gibt einem nach wie vor die perfekte Kontrolle über den eigenen Skater. Befehle werden schnell und präziese ausgeführt und nach einer kurzen Eingewöhnungszeit macht es einfach nur noch Spaß, durch die Gegend zu fahren und hier und da einen Flip oder Grind hinzulegen bzw. sich an Monster-Kombos zu versuchen. Nie hat man dabei das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, und sollte man doch einmal auf der Nase landen, war es mit Sicherheit die eigene Schuld.
Hat man sich erst einmal eingeschossen und erste Trick-Kombos auf dem Kasten, kann man mit dem integrierten Videoeditor bis zu eine Minute lange Videos aufnehmen und bearbeiten, also spezielle Filter über die Optik legen, Soundeffekte einfügen und das Ganze mit der eigenen Wunschmusik unterlegen.
Grafik und Präsentation
Proving Ground sieht gut aus, keine Frage. Grafisch hat es sich im Vergleich zu Project 8 durchaus gesteigert. Die Straßen sind detailliert, und die Stadt beeindruckt durch eine beachtliche Größe, auch wenn die Texturen nicht immer überzeugen. Auf den Straßen tummeln sich Fußgänger und Autos fahren umher, vor denen man sich auf jeden Fall vorsehen sollte. In der Stadt sind zusätzlich verschiedene Arcade-Automaten versteckt, deren Aktivierung neue Modi freischalten und an denen man selbstverständlich auch spielen kann.
Die Animationen eures Skaters sind geschmeidig und maßgeblich daran beteiligt, dass das ausführen der Tricks so viel Spaß macht. Bei Stürzen kommt die Ragdoll-Engine zum Einsatz und sorgt dafür, dass man das ein oder andere mal ein schmerzverzerrtes Gesicht macht, wenn euer Konterfei unglücklich auf einer Bordsteinkante gelandet ist. Die im Spiel integrierten Skater sind durchweg gut getroffen und ihren Vorbildern nachempfunden (bis auf den unverständlicherweise ziemlich verunglückten Tony Hawk).
Auch die restliche Präsentation weiß zu gefallen. Alles hat diesen gewissen Touch der Skate-Szene. Sobald ein neuer Charakter ins Spiel kommt oder eine neue Fähigkeiten erlernt wurde, werden Videos eingespielt, in denen die jeweiligen Stars spektakuläre Tricks hinlegen. Die Menü-Führung ist einfach und übersichtlich, und eine umfangreiche Kombo-Liste gibt Schützenhilfe, solltet ihr einmal nicht wissen, wie ein bestimmter Trick auszuführen ist.
Beim Soundtrack hat man sich ebenfalls an der typischen, für die Skate-Szene üblichen Musik orientiert, und natürlich dürfen Bands wie Nirvana, Foo-Fighters oder Sex Pistols nicht fehlen. Bei den Soundeffekten sollte man keine großen Überraschungen erwarten, denn die typischen Skategeräusche wurden ausnahmslos von den Vorgängern übernommen. Bei der Synchronisation hätte mehr Sorgfalt bei der Wahl der Sprecher gut getan, denn diese wirkt allenfalls solide und langweilt bereits nach kurzer Zeit. Nervend ist auch der ständig verwendete Skater-Slang. Sicherlich, der Titel richtet sich in erster Linie an Menschen aus der Szene, dennoch ist es als Außenstehender doch auf Dauer nervig, ständig Fachbegriffe um die Ohren gehauen zu bekommen, von denen man noch nie etwas gehört hat.
[b]Mehrspieler-Modus
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Sage und schreibe neun Modi für bis zu acht Spieler stehen für den Zwei-Spieler-Modus und Online-Matches zur Verfügung. Bei Trick Turnier und Punkte Challenge geht es darum, nach einer gewissen Zeit die meisten Punkte zu haben bzw. als Erster eine vorgegebene Punktzahl zu erreichen. Das gleiche Prinzip gilt auch bei Kombo-Mambo und Kombo-Challenge, mit dem Unterschied, dass hier derjenige mit der größten Kombo gewinnt. Im Modus Graffiti gilt es, an so vielen Objekten wie möglich einen Trick zu vollführen und dadurch dieses Objekt mit der eigenen Farbe zu markieren. Will ein Gegner diese Farbe in seine umwandeln, muss er am selben Objekt eine höhere Punktzahl erreichen. Bei Walls muss eine Kombo so lange wie möglich gehalten und bei Nail the Trick die höchste Punktzahl erreicht werden, während bei Skate die Linie die anderen Spieler an einer von euch festgelegten Linie eine Kombo ausführen müssen, und natürlich derjenige mit der höchsten Punktzahl gewinnt. Beim Fun-Skaten ist der Name schließlich Programm: skatet einfach zum Spaß durch die Gegend und unterhaltet euch mit euren Freunden.
Die Menü-Führung ist dabei fast schon standardmäßig gut und übersichtlich gelungen. Die Wettbewerbe und Spielmodi sind abwechslungsreich und machen besonders mit mehreren Skate-Profis richtig Spaß. Natürlich sollte man zuerst eine Weile trainiert haben, um sich mit den wirklichen Profis messen zu können. Negativ fällt hingegen die Tatsache auf, das Online die Straßen der Metropolen völlig leer gefegt sind und für acht Spieler fast schon zu groß sind.
Fazit:
Tony Hawks Proving Ground übernimmt die Tugenden der Vorgänger und reichert sie mit neuen Ideen an. Doch genau hier liegt der Hund begraben: der insgesamt neunte Teil der Serie wirkt mittlerweile altbacken und irgendwie ausgelutscht. Das Prinzip, vorhandenes zu behalten und mit neuem zu erweitert ist zwar löblich, ist langsam aber sicher auch das Verhängnis für die Serie. Wo Skate von Electronic Arts neue Ansätze ins Genre bringt, bleibt Tony Hawk auf der Stelle stehen. Versteht uns nicht falsch: Proving Ground ist ein klasse Skate-Spiel mit vielen, einfallsreichen Aufgaben, guter Präsentation, hervorragender Steuerung und Tonnen an Moves und Tricks. Fans der Serie werden jedoch das Meiste davon so oder in abgewandelter Form bereits kennen. Es mag paradox klingen, aber insbesondere die Move-Vielfalt kann Anfängern und Neulingen der Serie sogar zum Verhängnis werden, da die schiere Vielfalt an Möglichkeiten einen fast zu erschlagen droht und man sich Anfangs richtig durcharbeiten muss. Ist man zudem nicht aus der Skater-Szene, wird einen der ständige Skater-Slang etwas nerven und auch der Grund dafür sein, warum man die ein oder andere Aufgabe nicht gleich von Anfang an versteht. Und Leute, die erst mit Skate von EA in dieses Genre eingestiegen sind sollten beachten, das bei Tony Hawk sehr viel unrealistischere Stunts auf dem Plan stehen. Nichtsdestotrotz ist jeder Skate-Fan mit Proving Ground gut bedient.
Positiv:
riesige, frei erkundbare Stadt
Umfangreiches Tricksystem
viele Aufgaben
guter Online-Modus
Negativ:
mittlerweile fehlt es an frischen Ideen
schlechte Synchronisation