Sega Rally
Es war wohl einer der größten Erfolge von Sega: in der Spielhalle standen sich Fans die Füße platt und verzockten ihr komplettes Taschengeld, um endlich einmal am Steuer des damals spektakulären Automaten Platz nehmen zu können. Und als Segas Saturn auf den Markt kam, sorgte es neben Virtua Fighter 2 für ein außerordentliches Launch-Line-Up. Die Rede ist natürlich von Sega Rally, dem Welterfolg, dem es mehr um den Spaß am Sliden über staubige Pisten als um Realität ging. Leider sind bisher alle Nachfolger nur mehr oder weniger gut gelungen und nie wieder an die Qualitäten des Originals herangekommen. Mit dem neuesten Ableger für Xbox360 und PS3 hat sich Sega jedoch genau dieses Ziel auf die Fahnen geschrieben; der Klassiker soll wiederbelebt werden. Ob es gelungen ist? Lest selbst.
Arcade-Rennen in Reinkultur
Bereits bei den ersten in der Presse veröffentlichten Berichterstattungen zu Sega Rally haben die Entwickler betont, das man keinen Racer mit übermäßig vielen Einstellungsmöglichkeiten und hunderten von Fahrzeugen kreieren wolle, sondern einen Arcade-Racer der alten Schule, der einfach nur Spaß machen soll. Dementsprechend erwartet einen im aufgeräumten und übersichtlichen Postkarten-Menü keine riesige Auswahl an Spielmodi. Der obligatorische Meisterschafts-Modus ist jedoch ebenso vertreten wie das freie Rennen, Zeitrennen und der zu heutigen Zeiten unverzichtbare Online-Modus.
Als motivierter Käufer stürzt man sich natürlich zu aller erst auf den Meisterschafts-Modus, welcher Arcade-typisch recht simpel aufgebaut ist: unterteilt in verschiedene Schwierigkeitsstufen, kämpft man sich von WM zu WM, wobei mit jedem erfolgreichen Abschluss neue Fahrzeuge, Lackierungen oder Strecken erspielt werden. Kein Rally-Fahrer mit Namen XY, dessen Story in Zwischensequenzen erzählt wird und dem man zu Ruhm und Ehre verhelfen muss. Nur ihr, die Rennstrecke und eure Konkurrenten. Jede der WM´s ist wiederum in Mini-Meisterschaften aufgeteilt, in denen jeweils drei Rennen am Stück zu meistern sind. Da man für den ersten Platz in jedem Rennen immer 10 Punkte einheimst, können pro WM maximal 30 Punkte ergattert werden. Diese Punkte werden schließlich zu eurem Konto addiert: die höchste Renn-Klasse erreicht man beispielsweise bei 275 Punkten. Der Vorteil an diesem System: dadurch ist einem immer bewusst, wo man gerade steht und hat ein festes Ziel vor Augen.
Der Modus Freies Rennen kann für eine schnelle Runde zwischendurch genutzt werden oder dient hervorragend, die Strecken und ihre Besonderheiten genauestens kennen zu lernen. Im Zeitrennen schließlich geht man, wie überraschend, auf Rekord-Jagd. Die erreichten Rundenzeiten werden automatisch in die Online-Rangliste hochgeladen, Vergleich mit der Weltrangliste inklusive. Ehrgeizige Naturen laden sich die Geister der schnellsten Fahrer herunter und lernen auf diese Weise von den Besten.
Gameplay
Auf den verschiedensten Strecken gilt es nun, die Rally-Krone an sich zu reißen. Die Schauplätze der Matsch-Schlachten sind dabei sehr abwechslungsreich gelungen. Die Landschaften bieten von der staubigen Safari oder dem feuchten Dschungel bis hin zum matschigen Canyon und den kalten Alpen-Gebieten alles, was das Rennspielherz begehrt. Insegsamt 30 Strecken stehen zur Auswahl. Dabei entfallen auf ein bestimmtes Szenario natürlich mehrere Strecken-Versionen, von denen aber jede ihre eigenen, ganz besonderen Überraschungen parat hat. Dazu gehören gewaltige Pfützen, denen man tunlichst ausweichen sollte um nicht an Geschwindigkeit zu verlieren. Auch vereiste Flächen, gewaltige Sprünge und Harrnadelkurven machen die Kurse zu einer aufregenden Angelegenheit. Insgesamt hat Sega beim Streckendesign sehr gute Arbeit geleistet.
Um den letzten Jahrzehnten an Rally-Geschichte Respekt zu zollen, wurden 28 Wagen implementiert, die natürlich Stück für Stück freigeschaltet werden müssen. Die aktuellen WRC (World Rally Championship) Modelle von Subaru, Ford oder Mitsubshi sind mit ihren Original-Lackierungen ebenso vertreten wie viele Klassiker, darunter Toyota Celica oder der Lancia Delta. Neben dem Aussehen unterscheiden sich die Wagen in ihren Motorengeräuschen, der Leistung und dem Fahrverhalten. Ein kleiner und wendiger Peugeot lässt sich z.B. leichter über den Kurs zirkeln als ein PS-strotzender Toyota Celica. Das in heutigen Rennspielen immer aufwendiger gestaltete Tuning der Wagen gestaltet sich bei Sega Rally äußerst simpel. Bevor man auf die Strecke geht, entscheidet man sich für ein Straßen- oder ein Rally-Tuning. Während das Straßentuning mit einer strafferen Federung und einer höheren Endgeschwindigkeit eher für geradlinige, asphaltierte Kurse geeignet ist, sollte das Rally-Tuning für matschige, kurvige und von Sprüngen gespickte Strecken gewählt werden. Außer dieser beiden Wahlmöglichkeiten kann nichts weiter am Rennwagen verändert werden; außer die Lackierung, von denen durch den Fortschritt in der Karriere nach und nach mehr freigeschaltet werden.
Befindet man sich endlich auf der Strecke, warten fünf weitere Gegner, euch Dreck fressen zu lassen und das Leben zur Hölle zur machen. Und das ist so gemeint wie wir es sagen. Die Gegner sind ernsthafte Konkurrenten, die bereits zu Beginn des Spiels für reichlich Herausforderung sorgen. Sie drängeln, schubsen und nutzen jeden eurer Fehler erbarmungslos aus, um an euch vorbei zu ziehen. Sie selbst machen sehr selten Fehler, und hat man sich erst einmal eine groben Patzer geleistet ist es fast unmöglich, den ersten Fahrer wieder einzuholen. Was bei wahren Renn-Freaks für Begeisterung sorgen dürfte, wird Anfänger frustrieren. Erschwerend kommt hinzu, das man jedes Rennen als letzter startet; egal, ob man aktuell die Wertungstabelle anführt. Arcade-typisch, in höheren Stufen jedoch mitunter sehr frustrierend.
Vier Perspektiven stehen zur Auswahl. Erfahrungsgemäß ist die Stoßstangen-Perspektive die intensivste, da sie die Rennaction durch ein hervorragendes Geschwindigkeitsgefühl am besten vermittelt. Dafür ist sie aber auch nur wirklich Profis mit guter Streckenkenntnis zu empfehlen. Daneben gibt es noch die Motorhauben-Perspektive sowie zwei unterschiedliche Ansichten von hinten. Nach jedem Rennen kann eine Wiederholung angesehen werden, deren Optionen jedoch leider sehr spärlich sind: Pause, von Vorn beginnen und die Perspektive wechseln sind die einzigen Möglichkeiten. Nicht einmal die anderen Boliden können separat beobachtet werden.
[u]Xbox360 vs. PS3[/u]
Beim Gameplay und Umfang gleichen sich PS3 und 360-Fassung wie ein Ei dem anderen.
Steuerung
Was muss ein Arcade-Racer auf jeden Fall haben? Ein unkompliziertes Gameplay und vor allem eine eingängige und schnell zu erlernende Steuerung. Letzteres kann bei Sega Rally durchaus als gelungen bezeichnet werden. Den Entwicklern ist eine gute Mischung aus Realismus und Arcade-Feeling gelungen. Anfangs erscheint einem die Steuerung noch etwas über-sensibel, doch schon nach kurzer Zeit hat man alles unter Kontrolle und zirkelt die Boliden zielsicher über die Kurse. 10 Minuten, mehr braucht man nicht, um sich daran zu gewöhnen. Die von Sega als innovativstes Feature bezeichnete Verformung der Rennstrecke hat spürbare Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Spurrillen lassen euch schlingern und die Ideallinie verlassen, sodass es sehr schwer werden kann, direkt hinter einem Gegner die richtige Spur zu finden. So starke Auswirkungen, das jede Runde zu einer neuen Herausforderung wird, hat dieses Feature aber nicht. Auch fallen die Unterschiede zwischen den Belägen nicht sehr auf: ob man jetzt durch Matsch oder Schnee fährt, beides fühlt sich recht gleich an. Dennoch macht es die Rennen durchaus interessanter. Die unterschiedlichen Boliden warten ebenfalls mit individuellen Fahreigenschaften auf. Jedes der Gefährte hat man dennoch relativ Flott im Griff, sodass keine große Lernkurve entsteht, wie man sie von beinharten Simulationen kennt. Besitzer von Force-Feedback-Lenkrädern werden sich freuen, dass Sega Rally so gut wie jede dieser Peripherien unterstützt. Auf der PS3 kommt zudem die Bewegungserkennung zu Einsatz, die jedoch sehr indirekt ausfällt und keine echte Alternative zum Analogstick darstellt.
[u]Xbox360 vs. PS3:[/u]
Bei der Steuerung nehmen sich beide Versionen nichts. Auf PS3 wie auch auf 360 fällt diese eingängig und arcade-lastig aus. Im direkten Vergleich vermisst man bei der PS3 jedoch sehr stark die Rumble-Funktion, den auf dem 360-Controller wird diese hervorragend unterstützt. Man spürt jede Rille und jeden Hügel, was nochmals eine Menge auf das Konto des Fahrspaßes einzahlt. Auf der PS3 können immerhin ebenfalls wie bei der 360 Force-Feedback-Lenkräder angeschlossen werden und die Sixaxis-Bewegungserkennung wird unterstützt, das jedoch eher schlecht als recht.
Grafik
Wenn Rechenpower und Speicherplatz bei Fahrverhalten und Fahrzeuganzahl gespart werden kann, steckt man den Rest in die Grafik. So oder so ähnlich werden wohl die Entwickler gedacht haben, als es an die optische Gestaltung von Sega Rally ging. Und tatsächlich: grafisch macht Sega Rally einen sehr guten Eindruck. Die Umgebungen sind detailliert und mit kräftigen Farben gestaltet. Manche mögen es als zu bunt bezeichnen, doch berücksichtigt man den Arcade-Charakter des Titels, ist diese Farbwahl genau richtig. Überhaupt sind die Strecken mit viel Liebe zum Detail gestaltet: in den Alpen zieren Häuser den Rand der Strecke, während im Safari-Setting Elefanten, Giraffen und Zebras den Treiben auf der Strecke zusehen. Am Himmel ziehen mitunter Düsenjets oder Drachengleiter ihre Runden, oder ein Helikopter kommt bis auf wenige Meter über der Strecke zum Schweben und wirbelt Staub auf.
Wirklicher Blickfang sind jedoch die überzeugenden Verformungseffekte der Untergründe. Jeder Rennwagen hinterlässt tiefe Spuren im Matsch und wirbelt eine riesige Menge des selbigen auf. Nach der ersten Runde kommt sogar das Grundwasser an manchen Stellen zum Vorschein und hinterlässt störende Pfützen. Die aufgewirbelten Fontänen unterscheiden sich sogar je nachdem, auf welchem Untergrund ihr gerade fahrt. Rast man beispielsweise über einen leicht mit Gras überwachsenen Kiesweg, werden auch Steine und Grasbüschel realistisch mit aufgewirbelt.
Selbstverständlich hinterlassen diese Ausritte in Mutter Natur auch ihre Spuren auf den detailierten aber ohne ein Schadensmodell ausgestatteten Rally-Wagen. Bereits nach wenigen Metern hat man eine dicke Schlammschicht an Heck und Reifen kleben, und besonders bei Drifts kann man den Anblick genießen, wie die Reifen durchdrehen und sich mit brutaler Gewalt durch den Schlamm fressen. Die Verschmutzungseffekte reagieren sogar auf weitere Einflüsse auf der Strecke. Ein Beispiel: Fährt man durch ein Wasserloch, wird ein teil des Drecks wieder abgewaschen, während der restliche verbliebene Matsch feucht glänzt. Wechselt der Streckenverlauf hingegen wieder auf einen staubtrockenen Abschnitt, wirkt der Matsch eher Stumpf, gerade so, als würde eine Staubschicht darauf haften bleiben. Wirklich beeindruckend. An einem Detail merkt man jedoch, das der Verschmutzungseffekt nicht ganz so Interaktiv wie beispielsweise bei Motorstorm ist: egal wie hoch der vor einem fahrende Gegner den Matsch aufwirbelt, nichts davon bleibt auf Motorhaube oder Frontscheibe haften. Schade. Dennoch: bei aller der Action auf dem Bildschirm, den Effekten, der Umgebung und den Gegner, läuft die Grafik stets flüssig und butterweich.
Die Rennwagen dröhnen mit einem satten Sound aus der hervorragend genutzten 5.1- Anlage. Gegner die hinter einem fahren sind gut zu lokalisieren, sodass man rechtzeitig den Überholvorgang des Kontrahenten vereiteln kann, ohne unbedingt den Rückspiegel nutzen zu müssen. Jeder der Boliden hat seinen eigenen Sound, wobei die Unterschiede noch etwas stärker hätten ausfallen können. Eine Stimme sagt euch wie bei der Rally üblich die nächsten Kurven samt Winkel und Geschwindigkeit voraus, während ein feuchtes Schmatzen gut das Gefühl vermittelt, mit seinen Rädern einen weichen Untergrund zu durchpflügen. Bei der musikalischen Untermalung steht hauptsächlich die für die Sega Rally-Reihe typische gitarrenlastige Popmusik im Vordergrund. Nichts Weltbewegendes, aber recht nett. Puristen drehen die Musik sowieso auf Minimum, um die Motoren zu genießen.
[u]Xbox360 vs. PS3:[/u]
Auf der technischen Seite unterscheiden sich die 360 und die PS3-Version überhaupt nicht. Auf Beiden läuft das Geschehen zudem sehr flüssig.
Der Online-Modus
Ein Rennspiel ohne Online-Modus ist heutzutage nur noch die Hälfte wert, und so unterwirft sich natürlich auch Sega Rally diesem ungeschriebenen Gesetz. Wer diese Option wählt, findet sich schnell in altbekannten Mustern wieder: startet ein schnelles Spiel und lasst euch per Zufall in irgendeine Partie werfen, sucht gezielt nach euren Lieblingsstrecken oder Fahrzeugklassen oder macht gleich einen eigenen Server auf und wartet auf Mitspieler. Bis zu 6 Spieler können online gegeneinander antreten. Die Rennen gestalten sich dabei vom Gefühl her genauso wie die Singleplayer-Partien, und bieten bis auf den Unterschied, das man es mit menschlichen Gegnern zu tun hat, kein besonders neues Spielgefühl. Als wir den Online-Modus testeten, waren jeweils auch nicht sehr viele Mitspieler online, sodass die Suche nach einem geeigneten Match sich schwierig gestaltete. Als fanatischer Punktesammler und Rundenzeiten Aufsteller wird man aber auch hier seine Freude haben. Wer nicht online zockt, kann im Splitscreen gegen einen weiteren Mitspieler antreten.
[u]Xbox360 vs. PS3[/u]
Da sich das Design der Lobbies quasi nicht voneinander unterscheidet, hat man auf beiden Konsolen gleichviel Spaß. Die Verbindung lief bei beiden Versionen durchweg stabil und konnte überzeugen.
Fazit:
Sega Rally ist genau das, was es von Anfang an sein wollte: ein Arcade-Rennspiel mit Fokus auf die schnelle und unkomplizierte Rennaction. Der Umfang weiß mit 30 Strecken und 28 Rally-Wagen zu gefallen, und auch bei der Technik und der Steuerung gibt es nicht viel zu meckern. Sega hat sich jedoch so sehr auf die puren Rennen konzentriert, das man das Drumherum total vergessen hat. Die Weltmeisterschaften sind unspektakulär präsentiert, nicht einmal eine Sieger-Ehrung ist als Mini-Sequenz am Ende eingespielt. So kommt man sich beim spielen des Karrieremodus eher so vor, als würde man strickt nach Liste vorgehen und ein Rennen nach dem anderen wie am Fließband abhaken. Dies schlägt leider auch auf die Motivation, weil man sich nach der dritten WM fragt, warum man sich hier eigentlich weiter anstrengen sollte. Es sind auch die kleinen Details, die störend hinzu kommen: Während einer drei Rennen umfassenden WM kann beispielsweise nicht das Setting gewechselt werden, auch die Replayfunktion ist mehr als dürftig ausgefallen. Zwar versteht sich Sega Rally als reiner Arcade-Racer, dennoch wäre es ebenso wünschenswert gewesen, beim Design oder Setting der Wagen etwas mehr Freiraum zu haben.
Ein weiterer großer Kritikpunkt sind die unverschämt schweren Gegner. Da kein bestimmter Schwierigkeitsgrad eingestellt werden kann, muss man sich von Anfang an damit herumschlagen. Bereits in den ersten der höheren Stufen darf so gut wie kein Fahrfehler gemacht werden, sonst hat die Spitze einen uneinholbaren Vorsprung. Auch ist das Balancing hier nicht sehr gut gelungen: während man bei manchen Rennen mit Mühe und Not Dritter wird, kommt man bereits beim nächsten mit 5 Sekunden Vorsprung als Erster ins Ziel.
Wer mit diesen Kritikpunkten leben kann und eine Racer für die schnelle Runde zwischendurch sucht, ist mit Sega Rally gut bedient.
Positiv:
gute Steuerung
hübsche Grafik mit beeindruckenden Matscheffekten
verformter Untergrund wirkt sich auf Fahrverhalten aus
Online-Modus
viele Wagen und Rennstrecken
Negativ:
sehr schwere Gegner
langweilig präsentiert
kein Schadensmodell
das Fahrverhalten der Wagen hätte unterschiedlicher ausfallen können
egal ob Schnee oder Matsch, auch hier sind nicht viele Unterschiede zu merken