Trauma Center: Second Opinion
"Schwester: Skalpel, Tupfer, Nadel!" Wer wollte diese Worte nicht schon immer einmal sagen? Im OP stehen, die Stirn abgetupft bekommen, begehrt bei den Frauen und finanziell ausgesorgt: Chirurg muss doch ein Traumberuf sein. Für alle, die nicht über den puren Kindheitstraum hinausgekommen sind, hat Nintendo seine Operations-Simulation Trauma Center vom Nintendo DS auf die Wii portiert. Neue Missionen und überarbeitete Steuerung sollen auch Kenner des Originals anlocken. Ob es geklappt hat und man sich nach der erfolgreichen Bewältigung von Trauma Center ein Arzt-Diplom ausstellen darf, erfahrt ihr in unserem Test!
Operation geglückt, Patient tot
In Trauma Center: Second Opinion schlüpft der Spieler in die Rolle von Dr. Derek Stiles: einem jungen, aufstrebenden Arzt mit großen Ambitionen, der gerade seine praktische Zeit in einem Krankenhaus in Tokyo ableistet. Der grundsätzliche Spielablauf von Trauma Center: Second Opinion ist in verschiedene Kapitel aufgeteilt, in denen man entweder einen Patienten operiert oder dem ausführlichen Story-Verlauf folgt, in welchem viele Chirurgen, Schwestern oder Chefärzte den Weg des Spielers kreuzen. Die Entwickler haben sich Mühe gegeben und jedem der Charaktere eine eigene Hintergrundgeschichte und Handlungsmotive spendiert. Damit man sich aber nicht nur mit seichten Krankenhaus-Geschichten im Stile einer Schwarzwaldklinik herumschlagen muss, kommt es im späteren Spielverlauf zur Konfrontation mit einem tödlichen Erreger namens GUILT, der von Bio-Terroristen in die Welt gesetzt wurde. Und natürlich ist Dr. Stiles die einzige Hoffnung, um dieser Bedrohung Herr zu werden.
Kern des Gameplays sind natürlich die unzähligen Operationen, in denen man sein ganzes technisches Geschick beweisen muss. Jede OP ist unterteilt in eine Vorbesprechung, in der genaue Informationen zur bevorstehenden Operation nebst einer Geschichte zum Patienten erläutert werden, und die OP selber, in welcher innerhalb eines gewissen Zeitlimits alle Aufgaben zu erfüllen sind. Diese fallen sehr abwechslungsreich aus und orientieren sich in ihrer Art und Weise stark an der Realität. Da müssen Tumore entfernt, Brüche gerichtet, Wunden versorgt und Fremdkörper entfernt werden. Jede OP ist dabei auf dem selben Muster aufgebaut: zuerst wird der Patient aufgeschnitten, woraufhin die Kamera in das Innere des Körpers wechselt. Je nach Aufgabe gilt es nun, die verschiedenen Geräte wie Skalpel, Sauger, Pinzette, Spritze oder Ultraschallgerät einzusetzen.
Ein Beispiel: in einer der ersten Missionen muss eine handvoll Tumore entfernt werden. Mit dem Sauger wird die Flüssigkeit aus den Tumoren abgesaugt, woraufhin eine Reihe gelber Punkte darum erscheint. Mit dem Skalpel fährt man nun an diesen Punkte entlang, um daraufhin mit der Pinzette den Tumor herauszunehmen und auf einer Schale abzulegen. Solcherlei unterstützende Anzeigen ziehen sich übrigens durch das komplette Spiel, und geben einem Hinweise, wo z.B. der nächste Schnitt anzusetzen ist. Jetzt wird noch eine Membran auf die entstandene Wunde aufgebracht, das Ganze mit einer Heil-Paste eingeschmiert und anschließend der Patient durch Zick-Zack-Bewegungen über die Wunde wieder zugenäht. Fertig. Jede der durchgeführten Aktionen wird während des Spielens durch Anzeigen wie okay oder ideal bewertet, anschließend analysiert und durch einen Rang zusammengefasst. Da die OP´s jederzeit noch einmal einzeln und in drei verschiedenen Schwierigkeitsgraden wiederholt werden können, entsteht ein hoher Wiederspielwert. Im weiteren Spielverlauf variieren die Aufgaben und stellen euch immer wieder vor neue Herausforderungen.
Doch nicht nur auf typische OP-Werkzeug wie Nadel, Skalpel und Sauger kann zugegriffen werden. In besonders brenzligen Situationen kommt die Spezialfähigkeit Heilende Hände zum Einsatz. Durch das Nachzeichnen eines vorgegebenen Symbols mit der Wii-Mote wechselt der Spielablauf in einen Zeitlupenmodus, der dem Spieler mehr Zeit gibt, besonders knifflige Aufgaben zu lösen, ohne das der Patient den Löffel abgibt. Ein wichtiges Element, das auch in den Story-Verlauf mit eingebunden ist.
Die angenehme Bildschirmaufteilung sorgt dafür, das während der schweißtreibenden OP´s nicht die nötige Übersicht verloren geht. Oben links befinden sich die Vitalwerte des Patienten, unten links habt ihr eine Übersicht über die zur Verfügung stehenden Operationswerkzeuge. Hinweise werden während der OP durch Dialoge eingeblendet. Zwar stoppt das gnadenlos tickende Zeitlimit an diesen Stellen, dennoch reißen einen diese mitunter ausführlichen Informationen aus der Konzentration und stören mitunter empfindlich. Gerade in hektischen Momenten geht dadurch die ein oder andere wichtige Info unter.
Steuerung
Eine Besonderheit der DS-Version war der Einsatz des Stylus, der das Nähen oder Schneiden zu einem besonders realitätsnahen Erlebnis werden lies. Nintendo hat glücklicherweise diese Feinfühligkeit auf die Wii retten können. Die Wii-Mote reagiert sehr genau auf eure Bewegungen und lässt damit Milimeter-genaue Schnitte und Pinzetten-Einsätze zu. Durch halten des A-Knopfes werden die Instrumente angesetzt, durch bewegen der Wii-Mote wird dann geschnitten oder ein Verband über die Wunde gelegt. Witzig auch der Einsatz einer Pinzette, mit der man durch gleichzeitiges Drücken das A- und B-Knopfes zupacken kann, was sehr authentisch rüberkommt. Hier gibt es wirklich nichts zu meckern, außer das vielleicht Leute mit zittrigen Händen Probleme bekommen könnten, denn eine ruhige Hand ist das A und O für gute Bewertungen. Die in einem Kreismenü angeordneten Instrumente wie Skalpel oder Nadel werden mit Hilfe des Analogsticks des Nunchuk ausgewählt. Nach einer gewissen Spieldauer können dadurch während der OP kinderleicht die Werkzeuge gewechselt werden, ohne den Blick auch nur einmal von Geschehen nehmen zu müssen. Der Nachteil: durch die Feinfühligkeit hat man sich besonders in hektischen Situationen sehr schnell verdrückt und das falsche Instrument ausgewählt, was besonders in höheren Spielstufen ärgerlich ist, in denen es auf jede Sekunde ankommt.
Eine Besonderheit haben sich die Entwickler für die Wii-Version noch einfallen lassen: einen Defibrilator: Mitunter kommt es vor, das der gerade behandelte Patient unter Herzflimmern leidet, was für euch nichts anders bedeutet als: alles fallen lassen und Wiederbelebung einleiten. Die Umsetzung auf die Wii-Steuerung wurde dabei innovativ gelöst: Wii-Mote und Nunchuk müssen auf den Bildschirm zu bewegt werden, gerade so, als würde man wirklich einem Patienten die beiden Elektroden auf die Brust legen. Wurden die beiden Kontakt-Platten richtig positioniert, erscheint auf dem Bildschirm ein unter anderem aus Golfspielen bekannter Balken, dessen sich bewegende Anzeige an einem gewissen Punkt zum stoppen gebracht werden muss. Dies geschieht durch rechtzeitiges Drücken des Z- und B-Knopfes. Der Einsatz des Defibrilators ist jedoch vom Spiel vorgegeben und kann nicht vom Spieler beeinflusst werden. Im Großen und Ganzen ist die Steuerung sehr authentisch gelungen, was einen nicht unerheblich Teil der Faszination von Trauma-Center ausmacht.
[b]Grafik und Sound
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Bei der grafischen Gestaltung hat man sich für eine comicartige, bunte Darstellung entschieden, ganz so wie auch beim DS-Vorbild. Klar, will man ja auch nicht unbedingt die Eingeweide in realistischer Grafik und den höchsten Details bewundern. Die Entwickler haben dabei durchaus den Mittelweg zwischen realistischer Darstellung und Unterhaltung geschafft und es kommt einem vor, als würde man sich Bilder aus einem Anatomie-Lehrbuch für Kinder ansehen. Organe und Tumore sind als solche zu erkennen, grafische Höhepunkte wie geniale Texturen oder sonstigen Schnick-Schnack sollte man sich aufgrund der funktionellen Grafik von Traum Center jedoch keinesfalls erwarten.
Auch die restliche grafische Umsetzung ist sehr spartanisch ausgefallen. Die Story wird lediglich durch Dialogtexte erzählt, die von Standbildern und schön gezeichneten Figuren im Manga-Stil unterstützt werden. Keine Animationen, keine Sprachausgabe. Bis auf verschiedene z.T. typisch japanisch übertriebene Gesichtsausdrücke bei den Figuren oder unterschiedliche Hintergründe wie Krankenhaus-Flure oder Pausenräume gibt es nicht viel zu sehen. Es wirkt schon ziemlich albern und amüsierend, wenn sich Dr. Stiles mit einer Superhelden-Pose in die Operation wirft. Weiterer Kritikpunkt ist das Fehlen eines richtigen 16:9-Modus. An die Bildschirmseiten entstehen somit hässliche schwarze Balken.
Auch beim Sound gibt es so einiges zu bemängeln. Die fehlende Sprachausgabe haben wir ja bereits erwähnt. Leider sorgt die dafür vorgesehene musikalische Untermalung der Dialoge auch nicht gerade für Begeisterungsstürme. Am besten trifft es wohl die Bezeichnung Fahrstuhlmusik. Belangloses Gedudel, das lediglich an traurigen Story-Punkten etwas melancholischer wird. Sie nervt nicht wirklich, fällt aber auch nicht besonders positiv auf. Auch während der OP´s bekommt man immer die gleiche, Wer wird Millionär ähnliche Musik zu hören, die zwar Spannung erzeugt, aber doch abwechslungsreicher hätte ausfallen können.
Fazit:
Trauma Center: Second Opinion ist das perfekte Spiel für Nintendos Wii. Das Prinzip nutzt die Möglichkeiten des Controllers voll und ganz aus und bietet einem ein gänzlich neues Spielerlebnis. Auch die Grafik verlangt keine überragende Rechnenpower, sondern kommt mit Comic-artigen Look und funktionellen Anzeigen gut aus. Darüber hinaus bietet die Wii-Version von Trauma Center im Vergleich zum DS neue Instrumente (Defibrilator) und einige komplett neue Story-Abschnitte.
Es gibt aber leider einige Kritikpunkte, die dem Titel eine höhere Wertung verwehren. Stirbt einem währen der OP ein Patient weg, muss noch einmal alles von vor begonnen werden, sogar die teils recht lang ausgefallene Vorbesprechungen. Spätestens nach dem dritten Scheitern klickt man diese nur noch genervt weg, um endlich wieder zum Beginn der OP zu gelangen. Auch Hinweise während der OP, die man bereits zum x-ten Mal hört, können nicht übersprungen werden. Besonders in späteren Missionen, in welchem zum Teil mehrere Patienten hintereinander behandelt werden müssen, wünscht man sich nichts sehnlicher als eine Checkpoint-Funktion. Und warum bietet der Titel keine Sprachausgabe? Wichtige Hinweise werden während der OP als Text eingeblendet, sodass man durch das Lesen von den eigentlichen Aufgaben stark abgelenkt wird und schnell Hektik entsteht. Das spätere, Story-abhängige auftauchen der Krankheit GUILT macht die kommenden OP´s zunehmend unrealistisch und lässt sie mehr zu einem Reaktionstest verkommen als zu einer ernsthaften Chirurgen-Simulation. Gerade bei den damit verbundenen Aufgaben fällt einem auch die teilweise ungenaue Erkennung der Wii-Mote auf. Sehr ärgerlich, wenn man unter Zeitdruck steht, der Wii die gerade ausgeführte Aktion aber leider nicht erkennt bzw. man durch das empfindliche Ring-Auswahlsystem der Instrumente das falsche zur Hand nimmt, was gut und gerne einige Sekunden kosten kann. Ein Umstand, der den Frustfaktor stark nach oben treibt, der aber durch die drei angebotenen Schwierigkeitsgrade wieder etwas ausgeglichen wird. Auch ist die Punkt-Bewertung eurer Aktionen nicht immer nachvollziehbar. Weiterhin stören die lediglich durch Standbilder erzählte Story, der fehlende 16:9 Modus und die mangelnde Abwechslung bei der musikalischen Untermalung.
Frust-resistente Hobby-Chirurgen sollten einen Blick riskieren, denn einen gewissen Charme und eine außergewöhnliche Spielerfahrung bietet Trauma Center in jedem Fall. Besitzer der DS-Version müssen selbst entscheiden, ob die Neuerungen in der Steuerung und im Umfang einen Neukauf rechtfertigen.
Positiv:
innovative Steuerung
außergewöhnliche Operations-Ideen
Interessante Story
Negativ:
in hohen Spielstufen sehr schwer
Missions-Design ändert sich mit Auftauchen von GUILT sehr stark
unspektakuläre Präsentation
Steuerung wird manchmal nicht richtig erkannt