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Seit Monaten spielt Gehirnjogging in der oberen Liga der Verkaufscharts mit. Und das, obwohl es sich um eine Innovation im Handheldsektor handelt Dr. Kawashimas Gehirnjogging ist kein Spiel im eigentlichen Sinne. Es ist ein Programm, das bei regelmäßiger Anwendung die Hirnaktivität des Benutzers verbessern sollte das geht von einer verbesserten Merkleistung über zu abnehmender Vergesslichkeit. Das ist zumindest, was uns der Titel anfangs verspricht. [/head]
Wenn nach dem Einschalten das Nintendo-Logo um 90° gedreht angezeigt wird, liegt nicht etwa ein Fehler vor. Der DS wird in diesem Programm wie ein Buch gehalten, sodass sich der Touchscreen auf der rechten Seite befindet (Linkshänder drehen den Handheld alternativ um 180°). Das sieht anfangs sehr seltsam aus, aber man gewöhnt sich recht schnell daran und lernt die Vorteile zu schätzen.
Der Einstieg ist unkompliziert, zunächst wird das geistige Alter des Benutzers ermittelt. Dazu werden einige Wörter wie Rot oder Blau angezeigt, die eine bestimmte Farbe haben. Das Wort Rot ist also beispielsweise gelb und genau das muss man sofort registrieren und schnellstmöglich sagen. Also sitzt man vor dem DS und stößt ein hektisches Gelb heraus, nur um damit das nächste Wort zu aktivieren. Das Mikrofon wird hier also sinnvoll genutzt, nur mit dem Wort Blau kann es unter Umständen zu einigen Problemen kommen. Sinnvoll: Wenn man sich in einer Umgebung befindet, in der das laute Reden nicht möglich ist, bekommt man stattdessen stille Aufgaben angeboten.
Nachdem uns Dr. Kawashima nun bekanntgab, dass unser geistiges Alter bei geschätzten 69 Jahren liegt und wir doch bitte proteinreich frühstücken und beim Zähneputzen die Bewegungen der Zahnbürste zählen sollen, um schneller wach zu werden, beginnt das eigentliche Programm. Jeden Tag hat man die gleichen Übungen zur Auswahl, bei regelmäßiger Anwendung schaltet man neue Aufgaben frei.
[head]Lesen, Rechnen, Merken
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Zum Beispiel Rechnen 20: Hier werden 20 relativ einfach Rechnungen (im Schlage von 3 mal 6 oder 5 minus 0) auf dem linken Bildschirm angezeigt, auf dem Touchscreen kritzelt der Benutzer die Lösung hin. Zahlen werden gut erkannt, auch wenn spezielle Schriftbilder nur zögerlich erkannt werden zu einer einfachen Druckschrift ist also zu raten.
Oder Wörter: Hier bekommt man 2 Minuten Zeit, um sich 30 zusammenhanglose Wörter einzuprägen. Nach Ablauf der Zeit startet ein dreiminütiges Limit, in dem der Benutzer so viele Wörter wie möglich aufzählt. Das funktioniert durch einfaches Schreiben auf den Touchscreen. Auch hier ist eine Schreibschrift unvorteilhaft, dafür wird simple Druckschrift fast perfekt erkannt. Nur seltene einzelne Ausnahmen haben uns geärgert, etwa der fünfte Versuch, ein W zu schreiben, das aber nicht als solches erkannt wurde. Gerade hier vermissen wir eine Spracheingabe.
Eine andere Übung besteht im Lesen, wo Auszüge aus Märchen oder Prosatexten laut vorgelesen werden sollen. Das Mikrofon kommt hier leider nicht zum Einsatz, erkennt also nicht ob Wörter richtig gelesen werden. Wie vor jeder Übung erklärt uns Herr Kawashima, dass bestimmte Teile des Gehirns durch lautes Lesen stimuliert werden und das letztendlich unserer Gehirnleistung zugute kommt.
So geht das dann weiter Tag für Tag. Und hier liegt der Vorteil und gleichzeitig der Nachteil: Man kann sich ausgenommen Sudoku täglich kaum länger als eine halbe Stunde mit dem Programm beschäftigen. Spätestens dann sind alle Übungen für einen Tag erledigt. Es reicht also, täglich wenige Minuten aufzuopfern, um tatsächlich etwas für seinen Kopf zu tun. Aber irgendwann stellt sich wohl oder übel eine Routine ein: Rechnen, Lesen, Merken. Auch die Ratschläge von Kawashima wiederholen sich nach einiger Zeit.
Dennoch überrascht das Programm von Zeit zu Zeit. Das passiert zum Beispiel, wenn plötzlich nach der wichtigsten Nachricht des vergangenen Tages gefragt wird einige Tage später soll sich der Benutzer an genau diese Meldung erinnern und kann dann seine Notizen vergleichen. Besonders unterhaltsam mit mehreren Benutzern ist das Zeichnen. Hier werden drei Schlagwörter vorgegeben, zu denen Bilder gemalt werden sollen Feuerlöscher, Rennwagen oder Australien etwa.
Nachdem die Kritzeleien gespeichert wurden, wird das jeweils charakteristischste Merkmal angezeigt (etwa der Griff des Feuerlöschers). Mit mehreren Benutzern ist das insofern interessant, dass jeder Benutzer die selben Bilder malen soll. Am Ende des Tages werden dann bis zu vier Bilder zu einem Schlagwort (je nach Anzahl der Benutzer von 1-4) nebeneinander angezeigt.
Schade, dass nur vier Benutzerkonten eingerichtet werden können. Besonders, nachdem der Demo-Modus (hier können Übungen ohne Einstellungen direkt ausprobiert werden) das Programm attraktiv macht, sind die verfügbaren Konten schnell belegt. Denn wenn Gehirnjogging eines kann, dann ist das Leute zu faszinieren: Besonders, wer bisher kaum mit Videospielen zu tun hatte, wird darüber begeistert sein, dass der DS ausgesprochene Wörter und geschriebene Buchstaben erkennt.
Sudoku tut sein übriges dazu. Das motivierende Spielprinzip, in dem Zahlen sinnvoll angeordnet werden müssen, wurde gut auf die Steuerung mit dem Touchpen übertragen. Je Feld können bis zu neun Ziffern als Notiz festgehalten werden, auf dem linken Bildschirm wird das komplette Feld angezeigt, während auf dem Touchscreen ein Ausschnitt des Spielfeldes erscheint.
Via WiFi kann man außerdem gegen einen anderen DS-Besitzer im Kopfrechnen antreten. Also sucht euch euer bestes kariertes Hemd, eure Hornbrille und auf ins Rechenduell! Aber ganz im Ernst: Es macht Spaß. Das hört sich vielleicht seltsam an, aber ja, Kopfrechnen macht in diesem Programm Spaß. Seinen eigenen Rekord zu schlagen, die Ziffern immer schneller hinzukritzeln und seine Statistik so aufzubessern motiviert auch noch nach Wochen.
Ansonsten gibt es nicht viel mehr über Gehirnjogging zu sagen. Die täglichen Ergebnisse werden in einer übersichtlichen Leistungskurve angezeigt, auf Wunsch kann man seinen persönlichen Graphen sogar mit anderen Benutzern vergleichen.
[head]Auf das Wesentliche
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Auch optisch geht Nintendo in eine neue Richtung: Gehirnjogging kommt minimalistisch und fast ohne Grafikspielereien daher. Einzige Ausnahme ist der unaufwändig gerenderte Kopf von Kawashima selbst, der den Spieler mit kindlichen Animationen durch das Programm führt.
Die Übungen an sich könnten kaum reduzierter aussehen: Rechnen präsentiert sich in großen farblosen Zahlen, Lesen in großen farblosen Lettern. Ähnlich sieht es akustisch aus, denn bis auf eine zähe Hintergrundmusik im Menü gibt es nur wenige kurze Jingles zu hören. Das alles mag langweilig wirken, aber der Effizienz von Gehirnjogging kommt das nur zugute. Eine Sache hätten wir uns allerdings stark gewünscht: Sprachausgabe. Wenn Dr. Kawashima durch Textboxen Ratschläge erteilt oder über das menschliche Gehirn fachsimpelt, verleitet das oftmals zu genervtem Weiterdrücken.
Eine Reihe sinnloser Gadgets, wie etwa die Reaktion von Kawashima auf bestimmte Wörter oder die Möglichkeit, seinen Stempel selbst zu gestalten runden das Programm zumindest minimal ab.
Es gibt noch viel Platz nach oben, aber auch in dieser Form macht Gehirnjogging schon richtig viel Spaß.