Seit gut 15 Jahren machen nun Nintendos wuselige Taschenmonster die Landschaft der Handheld-Spiele unsicher und manifestierten sich bis heute als wichtiger Teil der allgemeinen Videospielkultur. Mit einer Menge Editionen vom Gameboy bis zum DS, unüberschaubaren Anzahl an Spin-Offs, Mangas, Anime-Serien und Merchandise bis zum Abwinken könnte auch niemand den Erfolg der bunten Allzweckkreaturen von der Hand weisen, doch der Erfolgskern lag und liegt weiterhin an den eigentlichen Spielen. Eine konstante Kritik, die sich aber Game Freaks Kreation seit den Editionen Silber und Gold gefallen lassen muss, ist die eher gemächliche Weiterentwicklung und Stagnation des Franchise, der Mangel an neuen Innovationen und Konzepten der Serie und die eher geringe Risikobereitschaft der Entwickler. Mit Schwarz und Weiß wagten sich die Taschenmonster zumindest an einen neuen Stil, tauschten die teilweise idyllischen Dörfchen und Landschaften der alten Spiele gegen große Städte mit Hochhäusern, Autobahnen und machten die Protagonisten etwas älter. Auch der größere Fokus auf die Story soll nun mit Schwarz und Weiß 2 weitergeführt werden, der erste nummerierte Nachfolger in der Geschichte des Franchise. Naseweiße Entscheidung oder Volltreffer ins Schwarze?
Wer jemals eine Pokémon-Edition sein eigen nennen durfte, der sollte sich in kürzester Zeit im Spielablauf zurechtfinden. Wie immer startet ihr als eure Reise als zukünftiger Trainer in einem überschaubaren Heimatdorf, wo eure Mutter euch schnell vor die Tür setzt, die lokale Pokémon-Professorin euch einen Pokédex in die Hand drückt und euch mit einem ausgewählten Startmonster in die Welt hinauslässt. Euer Ziel? Alle Arenaleiter in der Region herausfordern und besiegen, die Elite der Pokémon-Trainer ebenfalls aufs Korn nehme, sämtliche 649 Monster finden und am besten auch gleich einfangen. Nebenher legt ihr auch noch typischerweise einer kriminellen Organisation das Handwerk. So weit, so bekannt. Pokémon Schwarz und Weiß lockerte das bekannte Formular damals clever auf, indem es einen größeren Wert auf die Story legte, die Kontroverse um das Fangen und Kämpfen der bunten Tierchen selbst ins Spiel brachte und Figuren mit erstaunlich viel Charaktertiefe auftreten ließ. Schwarz und Weiß 2 knüpft an selbige Handlung an und spielt gut zwei Jahre nach den Ereignissen auf dem selben Kontinent Einhall. Dabei werden euch bekannte Charaktere wie Bell oder Cheren wieder begegnen, aber auch die Überreste der damaligen radikalen Pokémonorganisation Team Plasma und natürlich neue Figuren wie der obligatorische Rivale. Die Handlung soweit führt die Geschichte zwar weiter, ein gewisses Gefühl des Déjà-vu wird man aber trotzdem regelmäßig verspüren. So besucht ihr teilweise die genau gleichen Orte wie im Vorgänger wie Stratos oder Rayono City, in denen sich in der zwei Jahres Periode zwar ein wenig getan hat, bekannt dürfte euch trotzdem einiges vorkommen. Auch die Arenaleiter bleiben großteilig die gleichen und haben sich im Bestfall einen neuen Kampfschauplatz gebastelt. Gewaltige Veränderungen bleiben rar gesät, das Gefühl des „Das kenne ich doch schon“ wird durch die gleichen Figuren, Schauplätze, Animationen und Inhalte eher verstärkt, noch mehr als in allen anderen Pokémoneditionen zuvor. Auch auf eine große Menge an neuen Pokémon muss man verzichten, dafür bevölkern nun bekannte Taschenmonster aus den alten Editionen wieder die Welt. Traf man in Schwarz und Weiß noch nur die neuen Gestalten bis zum Kampf mit den Top 4, wird man nun sehr früh schon auf Entons, Fukanos und Riolus treffen. Das hört sich zunächst nach einer wenig bahnbrechenden Neuerung an, ist spielerisch aber durchaus wertvoll, da man es so nun wesentlich leichter hat ein ausgewogenes Kampfteam zu erstellen. Anstatt auf eine große Menge Neuerungen zu setzen, bedient sich Schwarz und Weiß 2 also eher „sinnvollen Anpassungen“. Ob das genug ist um eine 2 an das Ende des Vorgänger zu setzen, bleibt natürlich fraglich.
Inhaltlich wird aber trotzdem mit Schwarz und Weiß 2 auf den gut gefüllten Vorgänger etwas drauf gelegt. Zu den alten Nebenbeschäftigungen wie das Musik Theater für die eigenen Taschenmonster und die U-Bahn Linien, in denen Kämpfe ausgetragen werden konnten, eröffnet nun auch mit Pokéwood ein eigenes Filmstudio. Wer also nicht nur angehender Profitrainer, sondern auch Filmstar werden will, darf dort vorbeischauen. So sehr unterscheiden sich diese beiden Tätigkeiten aber auch nicht, da der Filmdreh sich natürlich um Pokémon-Kämpfe dreht, eben nur nach einem Drehbuch. Mit einer Gruppe von geleiten Taschenmonstern gilt es die Anweisungen zu befolgen um dem dramaturgischen Ablauf Folge zu leisten, was sich manchmal als wesentlich kniffliger herausstellt, als man zunächst annehmen könnte. Neu ist auch das Pokémon World Tournament, ein Pokémonwettstreit in der man sich durch eine Tabelle mit anderen Trainern an die Spitze kämpfen muss. Interessant ist hierbei, dass für jede Teilnahme das Event bekannter und beliebter wird und so auch nach und nach stärkere Trainer aus aller Welt anzieht. Darunter sind auch bekannte Stars, Arenaleiter und Top 4-Champions aus anderen Regionen aus der ganzen Geschichte des Franchise wie Rocko, Misty, Giovanni oder Cynthia, was besonders für Nostalgiker ein nettes Detail sein dürfte. Über die Menge an Inhalten kann man sich also nicht beklagen, vor allem weil die neuen Additionen durchaus sinnvolle und herausfordernde Neuerungen sind. Weiterhin dabei sind die 2 vs. 2 und 3 vs. 3-Kämpfe, sowie der 3 vs. 3 Rotationskampf, welcher schon im Vorgänger eingeführt wurde und eine neue Tiefe in das Kampfgeschehen brachte. Der Jahreszeitenwechsel sowie die leicht unübersichtliche C-Gear-Funktion bleiben ebenfalls erhalten. Wie gehabt, wie gehabt. Trotz überschaubaren Neuerungen bleibt Pokémon aber immer noch seine Grundtugenden treu: Das klassische Sammeln und Trainieren der Pokémon. Dieses Konzept erhält dieses Mal keine weitere weltbewegende Anpassung, hat aber über die Jahre durchaus an genug Tiefe und Komplexität gewonnen, dass es immer noch fesseln und begeistern kann. Welche Werte sind für mein Pokémon wichtig? Sind physische oder spezielle Angriffe besser geeignet? Aus welchen sechs Typen stelle ich mein Team zusammen? Entwickle ich mein Pokémon jetzt oder warte ich, bis es diese oder jene Attacke gelernt hat? Welche Persönlichkeit ist die beste für mein Lucario? Welche vier Angriffe bringe ich meinem Starter bei? Lieber auf Statusveränderungen oder harte Angriffe setzen? Man kann nicht von der Hand weisen, dass Pokémons Grundkonzept eine Wissenschaft für sich ist und besonders das richtige Heranzüchten eines potenziellen „perfekten“ Pokémon weiterhin für Hardcore-Fans Unmengen an Zeit verschlingen wird. Das macht die Serie weiterhin richtig, auch wenn mittlerweile alles bekannt sein dürfte.