Wer Fußball in Videospielform genießen will, für den gibt es in der Regel nur zwei Titel, die für den geneigten Sportfreund in Frage kommen: FIFA und Pro Evolution Soccer. Kaum andere Marken haben die virtuelle Fußballlandschaft derart im Griff wie EA und Konami, 2008 warf Entwickler Level-5 in Japan allerdings seinen eigenen Versuch ins Rennen. Mit einem bunten Animestil unterschied sich Inazuma Eleven vor allem mit überdrehten Spezialmanövern von den eher realistischen Fußballspielen, konnte sich aber dank Rollenspiel- und Strategie-Elemente auch von den Party-Spielen wie Mario Strikers abheben. Mit gleich mehreren Nachfolgern für den Nintendo DS und einer daraus entstandenen Animeserie kann sich das noch junge Franchise als durchaus erfolgreich bezeichnen, da es besonders auch im Westen immer beliebter wird. Auch die Wii bekommt am Ende ihrer Lebenszeit noch ein eigenes Inazuma Eleven spendiert. Wie aber übersteht das bisherige Handheld-Spiel die Übersetzung zu einer stationären Konsole und wie kann die Wiimote die gleiche taktische Tiefe für den Fußballplatz bringen, die auch der DS mit seinem zweiten Touchscreen liefern konnte?
Das Konzept hinter dem Anime-Fußball dürfte für ernsthafte Simulationsfreunde ein Schock sein: Während die grundsätzlichen Spielregeln des Sports noch gültig sind und es weiterhin um einen Ball, zwei Tore und zwei Mannschaften aus 11 Spielern geht, besitzen die einzelnen Sportler aber besondere Spezialfähigkeiten, die sie während des Spiels auslösen. Realismus hat hierbei keinerlei Bedeutung. Stürmer beschwören einen Drachen, um den Ball in einem Feuersturm aufs Tor zu knallen, der Torwart ruft eine Tsunamiflutwelle um den Ball wieder wegzuschleudern und Mittelfeldspieler lösen ein Erdbeben auf dem Feld aus um das Leder vom Feind zurück zu erobern. So weit, so gut. Doch wer Inazuma Eleven Strikers für nur kurze Zeit anspielt, für den wird bereits schnell klar, dass die Wii-Übersetzung für das DS-Spiel ein Verlustgeschäft war. Auf dem Handheld ist Inazuma Eleven ein fast pokémonartiges Rollenspiel mit einer Story, einer großen Spielwelt und neuen Spielern, die man für seine Mannschaft rekrutieren kann. Nicht nachvollziehbarer Weise entfällt allerdings jede Art von Story in dem Wii-Titel, so auch eine erkundbare Welt. Inhaltlich bleiben also nur Spiele gegen den Computer (in Freundschaftsspielen oder in Turnieren mit immer härter werdenden Mannschaften), Spiele gegen lokale Mitspieler und eine Handvoll Minispiele übrig um seine Mannschaft zu trainieren. Der Rest der Spielzeit dürfte für das Management der eigenen Mannschaft drauf gehen, was aber ebenfalls unter der Umsetzung leiden musste. Viele Rollenspielelemente wurden einfach gestrichen, sodass die Spieler zwar noch verschiedene Werte wie Angriff oder Geschwindigkeit haben, die Einflussnahme durch den Spieler welche Werte verbessert werden sind aber nun bestenfalls eingeschränkt. Auch die Ausrüstung wie bessere Sportschuhe und dergleichen fällt ersatzlos weg. Training verbessert nicht mehr gezielt bestimmte Spielereigenschaften, sondern die allgemeine Menge der Technikpunkte, die beim Einsatz durch Spezialfähigkeiten verbraucht werden. Dafür wurden automatische Trainingseinlagen durch simple Minispiele ersetzt, die man alleine oder mit einem Freund zusammen spielen kann. Einzig und allein die "Freundschaft" unter allen Spielern verbessert sich mit Training und bestrittenen Spielen allerdings noch und schaltet neue Boni frei. Das kann den herben Verlust im Teammanagment aber auch nicht ausgleichen und lässt sich Großteils ohnehin ignorieren, da sich die Freundschaft der Spieler von ganz alleine verbessert. Immerhin lassen sich immer noch Spieler von besiegten Mannschaften abwerben, um die schwächeren Spieler in seinem Team auszutauschen.
Auf der Ersatzbank
Der Verlust der Rollenspieleigenschaften ist aber nicht das einzige Foul gegen das ehemalige Spielkonzept. Die taktische Tiefe des Fußballspiels erhielt Inazuma unter anderem durch die clevere Einbindung des Touchscreens, bei dem nicht nur das Spielfeld übersichtlich eingebunden wurde, sondern durch den sich auch Laufwege für einzelne Spieler einzeichnen ließen. Die Auswahl der Spezialfähigkeiten war so einfach zu handhaben und auch der Status aller Teammitglieder konnte im Blick behalten werden. Selbst diese Eigenschaften mussten bei der Wii-Version Federn lassen. Anstatt die volle Kontrolle über die Mannschaft zu haben, übernimmt man nur die Steuerung über einen Spieler, ähnlich wie bei FIFA und PES. An sich wäre das nichts verwerfliches, doch die Umsetzung ist gerade im Vergleich zu den genannten Vorbildern sehr dürftig. Während Pässe, Torschüsse und Grätschen sehr einfach von der Hand gehen, ist die Zusammenarbeit mit dem eigenen Team ein Graus. Per Knopfdruck lässt sich zwar befehlen, dass nahende Spieler einem Gegner den Ball abnehmen, tatsächlich kommt es aber häufig dazu, dass die K.I. sich von dem Ball wegbewegt oder dass Verteidiger auf der Stelle stehen bleiben anstatt sich dem Gegenspieler zu stellen. Manchmal setzen die eigenen Spieler zwar automatisch eine Spezialfähigkeit, um ein die Kontrolle über den Ball zu erlangen, manchmal sehen sie aber auch nur zu wie ein feindlicher Stürmer gerade einen Torschuss auflädt. Die mangelnde Übersicht und die inkonsistente künstliche Intelligenz sind aber nur zwei der Gründe, warum sich das Ballspiel auf dem Rasen sehr unbeholfen und steif spielt. Grundsätzlich funktioniert zwar die direkte Steuerung über die Spieler in Punkto Ballpässe, Trippeln und Tricksen, allerdings sind direkte Torschüsse ohne die Spezialmanöver Zeitverschwendung. Kaum ein Ball wird an den übermächtigen Torhütern ohne ein Drachenschuss, eine Lawine oder Raketensprengkopf vorbeikommen. Selbst mit derlei Superangriffen halten die Torwächter durch eigene Spezialmanöver die meisten Angriffe im Zaum. Wer die Chance auf ein Tor haben will, muss warten bis die Teampunkte eines Stürmers sich bis zur Vollständigkeit angesammelt haben, dann den Schuss aufladen und solange allen feindlichen Verteidigern ausweichen. Alleine oder mit einem zweiten Stürmer lässt sich dann der Superschuss entfesseln. Die Kräfte der Verteidiger und Mittelfeldspieler lassen sich auch auf Knopfdruck oder per Wiimoteschütteln aktivieren. Ein Kreis um den kontrollierten Spieler zeigt den Bereich an, der für diese Kraft wirksam sein wird. Tritt ein feindlicher Spieler in den Kreis ein wird das Spezialmanöver automatisch entfesselt. Jede Fähigkeit wird dabei von einer kurzen Zwischensequenz begleitet, die das spektakuläre Manöver in Aktion zeigt. Diese können zu Anfangs zwar noch unterhalten, doch nach dem dritten oder vierten Mal wird man alle Knöpfe des Controllers verzweifelt hoch und runter drücken, in der Hoffnung diese Sequenzen überspringen zu können. Diese muss man sich aber immer wieder anschauen, während die Spieler immer und immer wieder den Namen ihres Spezialmanövers herausbrüllen. Dass dies mit der Zeit stark die Nerven ansägt, muss wohl nicht angemerkt werden.Wo wir bei Wiederholungen sind: Das Fußballspiel besitzt auch einen Kommentatoren. Mit seinen 4-5 Sätzen trägt dieser aber auch nichts zum Geschehen bei und merkt bei dem einzelnen Torschuss an, dass er "einen solchen Schuss noch nie gesehen hätte". Dafür wird das Spiel alle 2 Minuten "immer brutaler" und der Torwart lässt mit jedem gehaltenen Ball "nichts anbrennen". In Kombination mit den sich dauernd wiederholenden Sprüchen der Spieler und die nicht überspringbaren Zwischensequenzen hört sich Inazuma Eleven Strikers manchmal so an, als hätte es einen Sprung in der Platte. Grafisch wiederum gibt es nichts zu meckern. Technisch dürfte es niemanden beeindrucken, allerdings ist der bunte Anime-Look im Wii-Titel besser eingefangen als noch beim Nintendo-DS und die absurden Spezialfähigkeiten sind beim ersten mal Ansehen tatsächlich sehr spektakulär in Szene gesetzt. Auch besitzen alle Figuren die gleichen Stimmen wie in dem Anime, was besonders Fans gefallen dürfte. Ein anderer Trost ist noch der Multiplayermodus, bei dem man gegen seine Freunde lokal antreten kann. Seine selbst zusammengestellte Mannschaft lässt sich auch per Wiimote speichern und mitnehmen. Wer Inazuma Eleven Strikers zu zweit spielen will, muss auch darauf zurückgreifen: Ein Onlinespiel gibt es nicht.