Es gibt sehr sehr viele Shooter, und die meisten Spiele in diesem Genre versuchen sich über Story, Setting oder den Waffen zu differenzieren. Es gibt einige wenige Shooter, die das selbst Spielsystem ändern um aus einem "normalen" First-Person-Shooter mehr herauszuholen. Borderlands 2 fußt auf dem Borderlands-Konzept auf und mischt wie dieses zwei Genres: Shooter-Genre mit RPG-Charakterentwicklung. Wie macht sich dieses Konzept und wie viel Spaß ergibt sich aus der Mischung beider Komponenten?
Die Story
Auf einem fernen Planeten namens Pandora (der bei weitem nicht so üppig bewachsen ist wie James Camerons Mond Pandora) sind ein Haufen Menschen unterwegs um eine Kammer zu finden. In dieser Kammer hoffen diese sogenannten Kammer-Jäger auf unermessliche Reichtum und Schätze... Im ersten Teil des Spiels wird die Kammer auch gefunden, und im zweiten soll es eine weitere geben, was nicht wirklich sehr originell klingt. Die Hauptaufgabe des Spielers im zweiten Teil besteht jedoch darin, "Handsome Jack", dem Chef der Hyperion Corporation zu erledigen. Dieser Antagonist macht sich während des gesamten Spiels über Radiodurchsagen bemerkbar, und spart auch nicht den Spieler direkt zu beleidigen (Beispielsweise so: "Wie nenne ich denn mein Pferd? Ich wollte es Dir zu ehren Pissbirne nennen.. Aber wie wäre es ich geb ihm Deinen Namen.. also 'Arschgaul', wie klingt das?"). Die deutsche Synchronisation der einzelnen Figuren ist gelungen und auch Handsome Jacks liebenswerte Art wird von den Sprechern gut rübergebracht.
Der Spieler wird stärker als es in Borderlands 1 der Fall war anhand einer Story von Quest zu Quest geführt und erlebt auch sehr viel intensiver was durch seine Handlungen passiert. Natürlich kann man von den verschiedenen NPCs die man in Städten und Ortschaften antrifft Quests annehmen und diese ausführen. Interessanterweise bringt das Töten von Gegnern meist mehr XP als die Abgabe der Quest beim NPC.
Die Spielmechanik
Wer den ersten Teil des Spiels bereits gespielt hat, wird sich sofort zurechtfinden: Ganz zum Anfang darf man sich für eine von vier Klassen entscheiden, den Gunzerker, der eine Weiterentwicklung des Berserkers aus dem ersten Teil ist und mit Waffengewalt glänzt, einer Sirene mit Psychofähigkeiten, einem Ninja/Assassin mit Stealth-Techniken und einem Soldaten bzw. Kommandoeinheit. Jede dieser Klassen hat, ähnlich wie in einem RPG ganz spezielle Fertigkeiten, die sich über Talentpunkte (bzw. Skillpunkte) freischalten lassen. Angelehnt an das klassische Talentbaumsystem aus World of Warcraft hat jede der Klassen drei Bäume in denen sich der Spieler diversifizieren kann. Es gibt keine Einschränkungen in welchem Baum man die Punkte verteilt, aber wie bereits aus anderen Talentsystemen bekannt, kann man erst ab einer gewissen Anzahl an in einem Baum versenkter Punkte dessen tieferliegende Talente freischalten. Prinzipiell bewirken Talente, dass die Spielfigur beispielsweise mehr HP oder Angriffskraft hat; es werden auch bestehende Fertigkeiten durch Talente weiter aufgerüstet so dass sie mehr Schlagkraft haben oder Nebeneffekte verursachen.
Neben dem Talentbaumsystem gibt es aber noch andere Möglichkeiten den eigenen Charakter weiter aufzubessern: Während man spielt, protokolliert das Spiel alles mit; so wird beispielsweise mitgezählt wie viele Truhen, Schränke oder Boxen man geöffnet hat und sobald man eine gewissen Anzahl erreicht hat, bekommt man einen Badass-Token. Diese Token kann man einsetzen um kleine Statusverbesserungen wie mehr Gesundheit oder mehr Feuerrate zu erhalten. Offensichtlich sind diese Badass-Verbesserungen nicht auf den Charakter beschränkt auf dem man die Token eingelöst hat, sondern auch auf frischen Charakteren werden die Boni angewendet. Der Rucksack des Spielers ist am Anfang auf 12 Plätze beschränkt, was nicht sehr viel ist. Denn die eigenen Gerätschaften, wie die HUD oder das Schild belegen auch einen Platz im Inventar. Eins der Hauptfeatures des Spiels ist die schier unbegrenzte Anzahl an Waffen die überall auf der Welt herumliegen und von Gegnern gedroppt werden. Sie unterscheiden sich in ihrer Art (Sniper, Maschinenpistole, Granatenwerfer, Pistole, "Halbautomatik") und ihren Attributen. Neben Standardwerten wie Schaden und Genauigkeit, gibt es auch Feuerrate, Ladegeschwindigkeit und Magazingröße. Borderlands 2 klassifiziert alle Gegenstände nach dem World of Warcraft-Farbschema: Weiss -> Grün -> Blau -> Lila -> Orange mit aufsteigender Wertigkeit. Als Eselsbrücke gibt Borderlands 2 dem Spieler den Spruch "Wenn Großmutter bellt, lacht Opa" mit auf den Weg. Neben diesen offensichtlichen Attributen haben manche Waffen auch Spezialfähigkeiten beispielsweise dass die Munition Explosionen oder aber zusätzlichen Feuerschaden verursacht. Es liegen fast überall Kisten mit Waffen herum und sehr schnell kann es passieren, dass man sich nicht mehr entscheiden kann welche einem besser gefällt. Das liegt daran, dass oft die Werte sich nur marginal unterscheiden. Wartet man aber eine gewisse Zeit und dringt in Gebiete mit stärkeren Monstern vor, bekommt man auch Waffen mit durchgängig besseren Werten.
Pimp me up
Als Spieler kann man sich nicht nur die Waffen aussuchen mit denen man die Gegner umnieten möchte, sondern auch die Schilde. Schilde sind ziemlich wichtig im Spiel, denn nur durch sie wird es dem Spieler ermöglicht in der Singleplayer-Kampagne ein paar mehr Treffer auszuhalten. Schilde gibt es in verschiedenen Variationen die unterschiedliche Boni mitbringen, aber im Kern ein paar Haupteigenschaften besitzen. Jedes Schild regeneriert sich von selbst, braucht aber eine gewisse schadenlose Zeit bis die Regeneration einsetzt. Neben der allgemeinen Schildkapazität ist die Geschwindigkeit mit der sich das Schild komplett auffüllt, auch ein Attribut nach dem Ausschau gehalten werden sollte. Dadurch ergeben sich einige Taktiken: Man kann sich ein Schild mit sehr schneller Regenerationsrate aber geringer Kapazität besorgen oder aber auf mehr Kapazität achten, dafür aber einen längeren Lag bis zum Starten der Regeneration in Kauf nehmen. Das Spiel selbst sagt über Schilde in etwa folgendes: "Schilde sind wie Freunde. Nur die Besten haben Boni".
In Städten trifft man oft auf Automaten, die einem neben Waffen auch Munition verkaufen. Natürlich ist der Kram aus den Automaten nicht der beste, sondern das, was die Bosse und anderen Monster droppen hat oft die wirklich guten Eigenschaften. Dennoch sollte man die Automaten vermehrt aufsuchen um Loottrash an diese zu verkaufen und so seine eigenen Finanzen aufzustocken. Neben den harten Dollars gibt es noch eine zweite "Währung" im Spiel nämlich Eternium. Das ist das Zeug, was im ersten Borderlands in der Kammer anstelle der von den Kammerjägern (ein merkwürdiges Wortspiel im deutschen, heißen diese doch auf englisch einfach "Vault-Hunters") erhofften Reichtümer auftauchte. Mit Hilfe dieses Elements kann man sich wirklich interessante Upgrades bei einem Schwarzmarkthändler in Sanctuary, der Hauptstadt der Rebellen, kaufen um so die Anzahl an Patronen die man mitführt, zu erhöhen. Auch den Rucksack kann man für Eternium erweitern und sich so mehr Kapazität verschaffen.
Wie schon eingangs erwähnt ist das Spiel questbasiert und neben der Hauptquest gibt es etliche Nebenquests, die sich von der Struktur her nicht sonderlich unterscheiden: Töte X von diesen Monstern, töte Superbösewicht A, B und C, oder bringe etwas von drüben mit. Die Hauptquest ist unterhaltsam und motivierend, die ständige verbale Einmischung von Handsome Jack im Abenteuer neben dem nervigen kleinen Roboter Claptrap tragen viel zur Atmosphäre bei - und man möchte immer mehr Handsome Jack sein ziemlich loses Mundwerk stopfen.
Neben dem Über-Antagonisten gibt es natürlich auch eine Vielzahl von Monstern und durchgeknallter Typen die es zu beseitigen gilt. Diese reagieren zum Großteil recht intelligent: Neben den Deckung-suchenden Gegnern gibt es auch solche, die in bester Selbstmord-Manier auf einen zu rennen und sich in die Luft sprengen. Praktisch ist es bei diesen Gegnern sie schon vorher durch ein paar gezielte Schüsse von ihrem Wahnsinn zu befreien. Stärker bewaffnete Gegner wie Marodeure die z.T. auch mit Flammenwerfern bestückt sind, bleiben auch keine Seltenheit im Spiel. Goliaths als weitere Gegnerart gehen in einen Berserkmodus und töten erst einmal ihre eigenen Leute bis sie so sehr in Rage sind und sich dem Spieler widmen.
Es passiert in Borderlands 2 oft genug, dass die Anzahl der Monster die einen attackieren sehr hoch ist. In solch einem Fall hilft es nur einen teilweisen Rückzug anzutreten und die Gegner einzeln herauszulocken. Dadurch kann es durchaus passieren, dass manche Quests länger brauchen als eigentlich nötig gewesen wäre. Der Hintergrund scheint zu sein, dass das Spiel eher auf den Multiplayer-Coop als auf die Single-Player Experience ausgelegt ist. Sterben in Borderlands 2 gehört laut Hyperion zum guten Ruf: Man stirbt, und wird von einen der zahlreichen Respawnstationen am Wegrand wiederbelebt. Natürlich ist man dann nicht mehr das Original, sondern eine Kopie seiner selbst und muss Hyperion für den Dienst auch noch einen gewissen Teil seiner Dollars abtreten. Aber sich sorgen sollte man nicht - wenn man so oft gestorben ist, dass man kein Geld mehr hat, verzichtet der Respawnautomat darauf einem weiter das Geld aus der Tasche zu ziehen. Wiederbelebt wird man also immer. Der Betrag der beim Respawn fällig wird, entspricht einem gewissen Prozentsatz des Geldes, das man im Moment des Todes in der Tasche hatte.
Beachtet werden muss auch, dass wenn man an einer Stelle sehr oft stirbt und sie wieder und wieder durchgeht, es durchaus zum Respawn der Gegner kommen kann.
Multiplayer
Borderlands 2 beherbergt einen sehr ansprechenden Co-Op-Modus den man im Splitscreen oder über das Netz spielen kann. Man kann darüberhinaus auch Splitscreen lokal über das Netz mit anderen spielen, was das ganze sehr viel interessanter macht: Man sitzt mit seinen Freunden auf dem Sofa und spielt zusammen im Splitscreen mit irgendwem über das Internet. Sobald man ein Co-Op Spiel startet oder betritt, werden die Gegner automatisch stärker und bekommen beispielsweise mehr HP spendiert. Es ist darüber hinaus zu jeder Zeit möglich in ein bestehendes Spiel Leute einzuladen. Es können an einer Konsole bestehende Charaktere aus anderen Profilen geladen werden oder aber man beginnt absolut bei null und startet einen neuen Charakter. Natürlich macht es wenig Sinn, wenn man selbst einen hohen Level hat, und ein Freund möchte einfach nur kurz mitspielen. Dann beginnt dieser mit einer sehr viel niedrigeren Stufe. Es hatte den Anschein beim ersten Anmelden eines Freundes am Spiel, dass dieser eine Kopie des eigenen Spielers nutzen konnte (und somit auch dasselbe Level hätte), aber diese Option haben wir nicht wieder gefunden und hatten nur die Option mit einem neuen Charakter zu beginnen. Es scheint also nicht möglich zu sein, dass man unabhängig von einander Borderlands 2 spielt und dann gemeinsam spielt, wenn die Level zu unterschiedlich sind: Wenn man selbst Level 30 ist und der Freund mit dem man spielen möchte nur einen Level 12 Charakter hat, dann bleibt es dabei, Borderlands 2 hebt oder passt nicht die Level an. Was bedeutet das? Im Spiel des hochleveligen wird man von den Gegnern umgenietet, im Spiel des niedrigleveligen wird sich der Level 30 Charakter langweilen. Ganz nebenbei reduziert das Spiel die erhaltene XP bei zu unterschiedlichen Leveln.
Der Loot im Spiel wird entsprechend der Anzahl der Spieler angepasst; die Abgabe von Quests durch einen Spieler beendet die Quest für alle Spieler und jeder Spieler im Co-Op nimmt Quests immer für die gesamte Gruppe an. Auch die Quest-Belohnungen werden an alle Spieler verteilt. Zusammen Borderlands zu spielen macht natürlich sehr viel mehr Spaß, als das Spiel alleine durchzugehen, was bei Co-Op-Modi oft der Fall ist. Natürlich verursacht der Split-Screen Modus auch ein paar arge Platzprobleme: Das über die SELECT-Taste aufrufbare Menu wird nicht an die Bildschirmgröße angepasst, sondern man muss den rechten Analogstick nutzen um durch das Menu zu scrollen - als ob man eine Webseite browsen würde. Das macht das Spielmenu wo man z.B. seine Talente und Gegenstände einstellt sehr ungelenk. Möchte man an einem Automaten etwas kaufen, sieht man meist nicht, wie viel Geld man gerade hat, oder was man ausgewählt hat. An dieser Stelle hätte Gearbox noch mehr optimieren können.
Ein guter Zeitvertreib?
Borderlands 2 macht nicht viel anders als der erste Teil, aber es macht durchaus Spaß den neuen Teil zu spielen. Neben viel mehr Waffen ist es insbesondere die Hauptquestreihe die einen motiviert das Spiel ständig weiterzuspielen. Hinzu kommt natürlich das XP/Levelingsystem und die RP-Elemente die, wenn man diesen Systemen nicht abgeneigt ist, auch einen gewisse Suchtfaktor stellen.
Spieler die den ersten Teil gespielt haben und sich an dessen Mechanik sattgespielt haben, werden im zweiten Teil auf zu wenig neues treffen, was die Mechanik betrifft, aber die Hauptquestline macht Borderlands 2 interessant genug um es dennoch zu spielen. Neulingen hingegen bietet das Spiel einiges und die schiere Anzahl der Waffen, Talente, Upgrades und spielbaren Klassen, sollten einen lange bei dem Spiel halten.
Pro & Cons
+ Macht saumäßig Spass
+ Koop ist sehr gut gelungen
+ Gute Storyline
+ Viele Waffen die sich auch unterscheiden.
+ Sehr cooler Cel-Shading/Comic Stil
+ Guter Humor
- Splitscreen Multiplayer hat Probleme bei der Darstellung der Options-UI
- Kein Autoleveling für Multiplayer-Koop (siehe Reviewtext)
- Für Borderlands-Veteranen ist womöglich zu wenig neues drin