Sein Herz an Jemanden verlieren, ist in den meisten Fällen eine schöne Sache. Sein Herz an einen Drachen zu verlieren, ist jedoch eine schmerzhafte Angelegenheit, die ärgerliche Begleiterscheinung wie einen offenen Brustkorb, literweise Blutverlust und einen grausamen Tod nach sich zieht. Bei dem Helden aus Dragon's Dogma bleibt jedoch letzteres überraschend aus, sodass er zwar mit einer großen Narbe auf der Brust erwacht, aber trotz fehlender Blutpumpe immer noch quicklebendig ist. Um dem ungewöhnlichen Drachenfluch auf den Grund zu gehen, dürft ihr die Geschicke des wortwörtlich herzlosen Helden selbst in die Hand nehmen und zu einer langen, beschwerlichen Reise antreten. Doch lohnt sich Capcoms Drachenjagd oder wurde hier zu wenig Herzblut vergossen?
So wie du mir, so ich dir
Der Anfang der meisten Rollenspiele ist im Grunde immer gleich. Nach der Charaktererschaffung kommt eine lange Einführung, die Erklärung der Spielgrundlagen und die ersten Schritte in Richtung Heldentum. Dragon's Dogma ist das völlig egal. Mit einem bereits ausstaffierten Helden und Gefährten geht es direkt mit ein paar erklärenden Einblendungen zur Steuerung in die Schlacht gegen Kobolde, Harpyien und Chimären - ganz nach dem Motto: Learning by doing. Danach erst stellt sich wieder eine traditionelle Erzählweise ein und genretypisch dürft ihr euch daran setzen einen eigenen Helden zu basteln. Dabei gestaltet sich die Charaktererschaffung äußerst flexibel. Ganz schnell verliert man einige Zeit darin, das virtuelle Ebenbild bis ins Detail nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, bis das Werk "endlich perfekt" ist und jede Locke dort sitzt, wo sie sein soll. Lohnen tut sich der Aufwand allemal, da Dragon's Dogma sich jede Menge Mühe in der Inszenierung des eigenen Helden gibt. Zwar spricht die Spielfigur kein Wort, doch ihre Mimik ist in vielen Zwischensequenzen deutlich zu sehen und wird gerne mit Nahaufnahmen hervorgehoben.
Die Bastelfreudigkeit hört dort aber noch nicht auf. Kurz nach dem Spielstart, darf man sich einen Gefährten an die Seite stellen, dessen Aussehen ebenfalls kreativ angepasst werden kann. Insgesamt wird der Spieler stets von drei weiteren Spielfiguren begleitet; die sogenannten Vasallen. Während man die Eigenschaften des eigenen Hauptvasallen aber frei bestimmen kann, kommen die beiden anderen Begleiter aus der Feder eines anderen Spielers. Dies ist quasi der Ersatz für einen Online-Mehrspielermodus. Wer seine Konsole ans Netz angeschlossen hat, kann im sogenannten "Rift" nach Vasallen suchen. Liegen diese Gefährten unter oder auf dem gleichen Level wie der Spieler, kann er sie kostenlos seiner Gruppe hinzufügen oder sie durch bereits aufgestellte Mitglieder austauschen. Das geht quasi an jedem Rift-Stein in der Spielwelt, die sehr großzügig verteilt sind. So ist ein ständiger Wechsel der Gefährten je nach Aufgabe auch notwendig, denn die ausgeliehenen Vasallen erreichen im Gegensatz zum persönlichen Hauptvasallen keine höheren Stufen. Ein Abschied von einem lieb gewonnenen Gefährten muss aber kein dauerhafter sein. Genau 100 Vasallen lassen sich in die Favorisierten-Liste legen, um sie erneut zu finden. Entlassene Gefährten werden dann auch mit einer Beurteilung und einen Geschenk an den Besitzer verabschiedet.
Dies gilt natürlich auch für den selbst erstellten Vasallen. Andere Spieler können diese im Rift finden und für ihre Gruppe verwenden. Keine Sorge: Trotzdem verlässt der eigene Hauptvasalle nie die Gruppe. Egal wie viele Mitspieler diesen zur selben Zeit verwenden, er bleibt immer treu an der Seite seines Erschaffers. Nach einer Rast im Gasthaus wird aber abgerechnet und der Spieler kann sich über die verschiedenen Geschenke freuen, die ihm andere aus Dank hinterlassen haben. Das wirkliche clevere an dem System ist aber, dass ein Vasalle "lernt" wenn er mit anderen Spielern unterwegs ist und dann wertvolle Tipps über das Lösen von Aufgaben oder Bekämpfen von Monstern von sich geben kann, wenn er diesen schon in anderen Spielwelten begegnet ist. Überdies verdient er so auch Riftpunkte, mit denen man Vasallen anheuern kann, die über der eigenen Stufe stehen.
Berufswahl leicht gemacht
Direkt am Anfang muss man sich natürlich entscheiden, welche Klasse der eigene Held und sein Vasalle haben sollen, was selbstverständlich den Kampfstil, verfügbare Waffen, tragbare Ausrüstung und Fähigkeiten bestimmt. Die Auswahl ist mit Krieger, Magier und Streicher aber gerade zu bieder und einfallslos. Zum Glück werden nach der Zeit neue Laufbahnen freigeschaltet, auf die man fortan wechseln kann. Insgesamt erhöht das die Klassenauswahl auf neun und bietet dann eine durchaus ansehnliche Auswahl mit einem Mystischen Krieger, einem Erzmagier oder einem Assassinen. Grundsätzlich bleibt es aber bei der typischen Aufteilung: Krieger-ähnliche Klassen, die entweder mit Schild oder eine heftigen Nahkampfwaffe in die Schlacht ziehen, wohingegen der Streicher-Zweig mit schnellen Dolchen und Bögen gegen die Monster vorgeht. Dem Zauberer bleiben natürlich die mächtigen Zaubersprüche und Heilungen übrig. Dankenswerter Weise bleiben aber einmal freigeschaltete Laufbahnen erhalten und lassen sich in einem Gasthaus jederzeit wechseln. Alle Fähigkeiten, die erworben wurden, bleiben nicht nur dort erhalten, sondern gehen auch auf verwandte Klassen über. Wer als Streicher Bogenangriffe erlernt, darf viele davon auch weiter verwenden, wenn er zum Waldläufer wird. Ein Klassenwechsel zieht aber auch einen Austausch der Heldengaderobe nach sich. Wer von einem Krieger zum Magier wechselt, muss leider auch seinen Plattenpanzer verabschieden. Dafür können Ausrüstungsgegenstände beim Schmied in drei Stufen aufgewertet werden, dafür wird nur etwas Geld und entsprechend Felle, Kräuter, Stoffe oder Erze gebraucht, die man auf seinen Reisen durch die Welt sammelt.
Damit ist man auch auf das Herzstück des Spiels vorbereitet - Die Kämpfe. Ohne Scheu lässt sich sagen: Dragons Dogma hat das beste und spannendste Kampfsystem aller Action-Rollenspiele der aktuellen Spiele-Generation. Dort zeigt sich wieder direkt der Devil May Cry-Einfluss. Während kleinere Gegnerhorden in typischer Hackn Slay-Manier beharkt werden, demonstrieren sich Schlachten gegen größere Monster wie Oger, Greife oder Drachen erstaunlich cineastisch. Nicht nur hat jedes der großen Monster eine charakteristische Verhaltensweise, sondern auch mehrere Stärken und Schwächen, die jeweils mehrere Taktiken zulassen, um an einen Kampf heran zu gehen. Dank den Schultertasten kann sich auch ein Held kurzerhand an ein Monster dranhängen, um es ähnlich wie in Shadow of the Colossus zu beklettern. Zwar ist dies nicht ganz ungefährlich, aber teilweise notwendig um an bestimmte Bereiche eines Monsters heranzukommen, um dort besonders viel Schaden anzurichten. Ob man nun einer Chimäre den giftigen Schlangenschweif abschlägt, einem Zyklopen das Auge aussticht oder auf dem Rücken eines Greifen klettert, der sich bockig in schwindelerregende Höhen erhebt, so wirken diese Kämpfe stets dynamisch und fast schon filmreif. Allein den nächsten Kampf gegen ein neues herausforderndes Monster zu erleben, ist in der Regel Motivation genug, um das Spiel voranzutreiben.
Aber auch als Magier wird man nicht außen vorgelassen. Zwar eignen sich die anderen Klassen durchaus mehr für den action-reicheren Kampfaspekt des Spiels, doch auch die Zaubersprüche erhalten eine beeindruckende Inszenierung. Beim Zaubern bleibt der Magier auf der Stelle stehen und lädt den Spruch auf, was ihn anfällig für Angriffe und Unterbrechungen macht. Besonders die besten Zaubersprüche brauchen in der Hitze des Gefechts manchmal nervenaufreibend lange. Doch die Belohnung für das nicht ungefährliche Risiko ist es umso mehr wert, wenn schließlich doch die elementaren Kräfte entfesselt werden können, die beim erfolgreichen Wirken locker ausreichen, um die nähere Umgebung von Feinden zu befreien. Auch haben die bildschirmfüllenden Feuerwerke genug Kraft, um selbst das größte Monster zu Fall zu bringen. Damit spielen sich die verschiedenen Kampfstile nicht nur angenehm unterschiedlich, sondern lassen sich auch dank dem Klassensystem ohne Strafe flexibel hin und her wechseln. So muss es sein.
Darüberhinaus bietet Dragons Dogma eine große Spielwelt, die in ihrem Ausmaß auch locker an Himmelsrand aus Skyrim heranpasst. Doch im Gegensatz zu diesem, verzichtet das Spiel fast völlig auf Schnellreisen, weswegen ein guter Teil des Spiels mit Wandern verbracht wird. Ein Reisestein teleportiert die Gruppe zwar zurück in die Ausgangsstadt, doch blecht man für einen dieser Steine jeweils ein halbes Vermögen, daher sind sie nicht unbedingt eine Alternative. Der Weg zu einem Reiseziel ist mit vielen Hindernissen, Monstern und Banditen beschwerlich genug, doch ein Tag-und-Nacht-System kann darüber hinaus Probleme mit sich bringen. Nachts ist es nicht nur stockdunkel, auch wird man auf noch gefährlicheren Monstern treffen, die der Reise ein schnelles Ende setzen können.
Eine gute Vorbereitung ist also das A und O. Im Gepäck sollten sich nicht nur Nahrung und Heiltränke befinden, da mit angesammelten Schaden die maximal Lebenspunke sinken und nicht mehr allein durch Heilzauber aufgefüllt werden können, sondern auch eine Laterne mit ausreichend Öl, um Nachts zumindest die nähere Umgebung wahr zu nehmen. Auf der Karte markierten Wegpunkte verraten nur den Standpunkt des Ziels, der Weg dorthin muss selbst gefunden werden. Wer also in neue und unbekannte Areale aufbricht, darf sich darauf einstellen auch die Umgebung erkunden zu müssen, um vielleicht unterirdische Passagen oder Bergwege ausfindig zu machen, die auf eigene Faust gefunden werden müssen. Am besten sucht man im Rift auch nach einem Vasallen, der die Quest und das Reiseziel kennt, damit er einen Führen und wertvolle Tipps geben kann.
Das ganze ist aber ein zweischneidiges Schwert. Zum einen werden Reisen so zu einem richtigen Abenteuer, in der Spielerinitiative belohnt wird und es kein Händchenhalten gibt. Erfolg, Erkundungsreiz und Spannung werden damit regelrecht intensiviert, etwas aus dem Dragons Dogma seine besten Momente zieht. Zum anderen aber werden Reisen in bekannte Bereiche aber auch schnell mühselig, auch das Auffinden von Aufgabenzielen artet durch mangelhafte Hilfestellung in Arbeit aus. Es ist ein schmaler Grat, der zwischen Spielerverantwortung und Ärgernis liegt, den nur Hardcore-Rollenspieler bereit sein werden zu gehen. Zumindest muss man sich darauf einstellen die selben Kobold- und Banditenhorden immer und immer wieder zu bekämpfen, was nicht gerade durch die sich stark wiederholenden Vasallenkommentare leichter erträglich wird. Dafür ist die Landschaft mit seinen Bächlein, Wäldern, Bergen, Tälern und Hängen sehr schön gestaltet und kann sich durchaus sehen lassen, was aber leider nicht durchgehend für die Grafik gilt. Besonders die Charaktermodelle der Figuren wirken vom nahen sehr detaillos, aber auch viele Texturen sind sehr verwaschen. Die Qualität der Animation schwankt auch stark von den flüssigen und glaubwürdigen Bewegungen der Greifen und Drachen zu den puppenhaften und asynchronen Lippenbewegungen der NPCs.
Das gleiche gilt für die musikalische Untermalung. Auch hier können dynamische Musikwechsel bei den Kämpfen überzeugen, während der japanische Poprock im Menü relativ deplatziert wirkt. Überzeugen muss Dragons Dogma ohnehin durch seine spielerischen Stärken, denn eine fesselnde Geschichte sucht man leider auch vergebens. Obwohl immer wieder interessante Ansätze gebracht werden, scheint weder die Hauptstory noch die Nebenquests dabei an Fahrt aufzunehmen, da jegliche tollen Ansätze sich irgendwann im Geschehen verlaufen oder unerwartete Wendungen ohne Konsequenzen bleiben. Der Wiederspielwert bleibt aber ohnehin nur bei einem Durchspielen: Es gibt nur einen belegbaren Spielstand. Dieser bietet jedoch allein bei Weitem genug, denn selbst ohne langatmige Wanderungen bietet Dragons Dogma eine große Menge Spielinhalt.
Pro:
+ Dynamisches Kampfsystem
+ Beeindruckende und spannende Kämpfe gegen große Monster
+ Flexibles Klassensystem
+ Durchdachtes Vasallennetzwerk
+ Große Welt mit motivierendem Erkundungsreiz
Contra:
Grafik auf einem nur durchschnittlichem technischem Niveau -
Mühselige Wanderschaft mit immer gleichen Kämpfen -
Sich wiederholende Vasallenkommentare -
Keine interessante Hauptgeschichte oder Nebengeschichten -