Gran Turismo 5 Review
Was lange währt, wird endlich gut. Es steht außer Frage, dass jeder Entwickler dieser Welt von uns Fans den Segen bekommt, die Entwicklungszeit immer weiter auszudehnen, wenn es dem finalen Produkt zu Gute kommt. Irgendwann aber, ist auch das leidensfähigste Maß voll und die Gier und auch die Erwartungshaltung an das finale Produkte kennt keine Grenzen mehr. Im Falle von Gran Turismo 5 wurde dieses Prinzip nun auf die Spitze getrieben. Sechs lange Jahre Entwicklungszeit und zahlreiche Versprechen später können wir nun endlich die finale Version, gepresst auf einer BluRay-Disc, in unsere PlayStation 3 schieben und den Motor starten lassen. Das realistischste Rennspiel der Videospielgeschichte, der größte Umfang und Fuhrpark, Autopornografie in Ekstase... endlich bekommt die PS3 ihre Bühne, auf der sie ein für alle Mal beweisen kann, was in ihr steckt...
Wo fangen wir an?
Dieser Frage kann man sich lange und ausgiebig hingeben, denn bevor es hinter dem Steuer eines Fahrzeugs geht, genehmigt sich Gran Turismo 5 circa 8GB Festplattenspeicher eurer PS3 und rund eine Stunde Installationszeit.
Mit Gran Turismo hat sich Polyphony Digital bereits nach dem ersten Teil auf der guten alten PlayStation One ein Denkmal gesetzt, an dem immer wieder neue Erwartungen gestellt werden. Die Erfüllung in Form von neuen Ablegern wurde vom japanischen Entwickler auch regelmäßig eingehalten, denn schließlich gibt es kaum ein anderes Spiel, welches einen so großen Umfang bietet und für Rennspielfreunde monatelangen Spielspaß mit sich bringt. Der fünfte Teil schickt sich nun an, alles bisher Dagewesene zu toppen und wenn man sich das Datenblatt ansieht, wird dies auch mit Bravour erfüllt: Es gibt über 1.000 verschiedene Autos, 35 Kurse, zahlreiche Herausforderungen, NASCAR-, Rally- und Kartrennen, Lizenzprüfungen und vieles mehr.
Polyphony Digital hat es nicht genügt eine Fahrsimulation auf der PlayStation 3 umzusetzen, sondern will mit Gran Turismo 5 dem Spieler eher eine Art Lebensgefühl vermitteln. Wer von sich behauptet Benzin im Blut zu haben, der findet hier sein Mekka. Hier wird das Automobil nämlich als Religion zelebriert. Das fängt damit an, dass man an seinem Fahrzeug förmlich jede einzelne Schraube justieren kann und endet in einer Fotosession auf einem Marktplatz, auf dem man liebstes Stück von allen Seiten fotografieren und in Szene setzen kann. Diese Bilder können dann archiviert und auch exportiert werden. Wenn ihr also noch Platz im Familienfotoalbum habt, dann kann euer jüngster Sprössling auch entsprechend seinen Platz im Album einnehmen.
Ein genauer Blick
Die Features des Spiels sind ohne Zweifel überdurchschnittlich, doch betrachtet man sich jeden einzelnen Aspekt von Gran Turismo 5 etwas genauer, so stellt man schnell einige Ungereimtheiten fest. Wir meckern gerne auf hohem Niveau und genau als solches muss man hier die Sache betrachten, denn trotz der Mängel, die in der Summe dem Gesamtbild schaden, ist Gran Turismo 5 ein Must-Have-Titel auf der PlayStation 3. Betrachten wir uns beispielsweise den Fuhrpark, der zwar tatsächlich tausende von Fahrzeugen für euch bereit hält, allerdings auch einige Wermutstropfen beinhaltet. Große Marken wie BMW, Audi, Mercedes, Ferrari, VW sind zwar vorhanden, aber die schier unendliche Anzahl an Fahrzeugen besteht auch aus zahlreichen japanischen Kleinwagen und kleineren Variationen des ein und desselben Wagens. Außerdem wurden die Autos in Standard- und Premiumwagen unterteilt. Diese Zweiklassengesellschaft ist deutlich sichtbar und verfälscht den grafischen Anspruch, den nicht nur die Spieler, sondern auch die Entwickler an dieses Werk gestellt haben. Vom gesamten Fuhrpark, gehören lediglich 200 zur Elite (also zu den Premiumautos), die als einzige eine Cockpit-Perspektive bieten. Diese sehen ihren realen Vorbildern bis aufs kleinste Detail zum Verwechseln ähnlich und strotzen nur vor grafischen Details. Hier kann die PlayStation 3 tatsächlich zeigen, was sie so drauf hat, denn die Spiegelungen auf dem Lack und die Shader-Effekte sind einfach zum Verlieben. Es gibt kein Videospiel, welches in Sachen digitale Automobile hier mithalten kann. Ganz anders sieht die Sache aber bei der buckligen Verwandtschaft aus (den Standardautos), die immerhin aus rund 800 Mitgliedern besteht. Hier variiert die Qualität zwar, aber insgesamt ist das für ein Gran Turismo einfach zu wenig. NASCAR-Autos sehen aus, als ob die Frontscheinwerfer nur aufgeklebt wären und andere Fahrzeuge wecken den Eindruck, als ob sie aus einer anderen Konsolengeneration stammen. Der Umfang an Fahrzeugen ist großartig, aber diese Unterteilung verpasst dem Ganzen einen echten Dämpfer.
Ein weiterer Aspekt, der eines genaueren Blicks bedarf und mit ähnlichen Problem wie der Fuhrpark zu kämpfen hat, ist die grafische Präsentation der Strecken. Ein Wechselbad der Gefühle: Nimmt man in einem Standardauto auf einem normalen Rundkurs Platz, glaubt man Gran Turismo 4 zu spielen. Befindet man sich aber auf einem Stadtkurs (London, Madrid oder Rom) und presst sich in den Sitz eines Premiumautos, so weiß man, dass man gerade den Katalysator der PlayStation 3-Hardware unter dem Hintern hat.
Die Welt von Gran Turismo 5
Die Zauberformel von Gran Turismo verbirgt sich schon immer hinter dem GT-Modus, auch wenn das Spiel noch einige weitere Variationen für euch bereit hält, werdet ihr hier die größte Motivation vorfinden. Der GT-Modus ist das Gegenstück zum Pokemon-Prinzip, die Automobil-Variante von Sim City und der Grund, weshalb dieses Spiel eine so nachhaltige Wirkung auf die Videospiele ausübt.
Der Gran Turismo-Modus ist im Prinzip nur eine Karriereleiter, dessen Sprossen man mit mühevoll kleinen Schritten empor klettert. Man kämpft sich durch Einzelrennen und Veranstaltungen und muss dabei in jeder erdenklichen Disziplin beweisen, dass man quasi jedes mit einem Motor angetriebenes Fahrzeug beherrscht. Am Anfang der Rennfahrerkarriere muss man sich, mangels Credits (der offiziellen Währung im GT-Universum), mit billigen Reisschüsseln begnügen, ehe man erste Erfolge und das entsprechende Kleingeld einfährt. Mit wachsender Erfahrung steigt man im Level und darf sich dann mit den großen Jungs anlegen und in den dazu benötigten Fahrzeugen Platz nehmen. Gran Turismo 5 versteht es einfach, dem Spieler bei der Stange zu halten und bietet schier unendliche Möglichkeiten. Die kleinen Schritte nach oben machen viel Spaß und es ist immer wieder eine wahre Freude eine Veranstaltung mit Gold abzuschließen und mit dem erspielten Preisgeld sich beim Autohändler den nächsten PS-Boliden zuzulegen. Alle Mechanismen greifen sehr schön ineinander und immer wieder tauchen neue Herausforderungen auf. Man beginnt beispielsweise in einem japanischen Kleinwagen, den man mit seinen wenigen Credits etwas tunt, um in den ersten Rennveranstaltungen auch als Sieger hervorzugehen. So bekommt man nicht nur weitere Credits für bessere Fahrzeuge, sondern steigt im Erfahrungslevel. Durch mehr Erfahrung, bekommt man dann die Möglichkeit an speziellen Kartrennen teilzunehmen, die nicht nur eine völlig eigene Fahrphysik besitzen, sondern euch aufs Neue mit Erfahrungspunkten und Credits versorgen. Diese Spirale dreht sich lange Zeit und um das Ende davon zu erleben, bedarf einiges an Spielzeit.
Alle Variationen des Tunings, des Fuhrparks, der Veranstaltungen, einfach aller Features aufzählen, würde den Rahmen einer Review sprengen, aber dass Gran Turismo 5 mit seinem GT-Modus viel Abwechslung bietet lässt sich an einigen Beispielen schnell aufzeigen. Da wäre unter anderem der B-Spec-Modus, in dem ihr nicht selber hinterm Steuer Platz nehmt, sondern einen eigenen Rennstall aufzieht. Ein KI-Spieler erhält von euch während des Rennens lediglich kleine Instruktionen wie "Beschleunigung" und "Überholen", um den Sieg einzufahren. Hier stellt ihr das Fahrzeug und heimst das Preisgeld ein, welches ihr dann für eure Karriere nutzen könnt. Im Prinzip kann man Gran Turismo 5 komplett auf diese Art und Weise ein zweites Mal durchspielen. Der B-Spec-Modus muss aber wirklich nur als kleine Zugabe angesehen werden, auch wenn in den Menüs diese Spielvariation ziemlich prominent inszeniert wird. Was sich liest wie ein umfangreicher Manager-Modus, entpuppt sich als ziemlich eintönige Angelegenheit, bei der der KI-Fahrer dank seines dämlichen Verhaltens euch den letzten Nerv raubt. Immerhin wird das durch die Preisgelder und gewonnen Autos einer jeden Veranstaltung kompensiert.
Weitere Beispiele in Sachen Abwechslung verbergen sich hinter den Spezial-Veranstaltungen. Neben den bereits erwähnten Kart-Rennen, darf man hier unter anderem an NASCAR- und auch Rally-Rennen teilnehmen. Das Gameplay könnte bei diesen Varianten nicht unterschiedlicher sein und stellt euch vor immer wieder neuen Aufgaben. Gran Turismo 5 fühlt sich also fortlaufend anders an, denn es kommt darauf an, in welchem Fahrzeug ihr sitzt.
Nur auf der Straße zählt
Bei den kosmetischen Fragen wie Grafik und Umfang hinterlässt Gran Turismo 5 ein wechselhaftes Bild, aber wobei es beim "Real Driving Simulator" wirklich ankommt, ist das Fahrgefühl auf der Straße. Hier lässt sich Gran Turismo 5 mit seiner erstklassigen Fahrphysik nicht die Butter vom Brot schmieren. Jedes Fahrzeug des umfangreichen Fuhrparks beinhaltet eine andere Steuerung, die man auch deutlich spürt. Es ist schon ein Unterschied, wenn man mit einem Rally-Auto über Stock und Stein fährt oder im Audi R8 über die Nordschleife düst. Aber nicht nur der Untergrund ist entscheidend, denn jede Strecke fühlt sich mit einem anderen Wagen ganz unterschiedlich an. Einige Fahrzeuge müssen von euch erst einmal unter Kontrolle gebracht werden. Man muss das Fahren immer wieder aufs Neue erlernen. Dabei gibt es einige Hilfestellungen, wie beispielsweise die Fahrhilfen, aber wer sich zu den Profis zählt, der tunt sein Fahrzeug, passt es in den schier unendlichen Einstellungsmöglichkeiten den Gegebenheiten an und fühlt sich von der Detailverliebtheit erschlagen. Zu Beginn der GT-Karriere muss man sich bekanntermaßen mit kleineren Fahrzeugen zufrieden geben und wundert sich etwas über das Geschwindigkeitsgefühl. Im späteren Verlauf und mit mehr PS unter der Habe aber, erkennt man die Relationen. Die Geschwindigkeit ist in Gran Turismo 5 also sehr realistisch und wächst mit eueren Fähigkeiten.
Ganz anderes verhält sich Gran Turismo 5 aber in Sachen Kollisionsabfrage. Hier scheinen die letzten Jahre in Sachen Rennspielentwicklung einfach an Polyphony Digital vorbei gerauscht zu sein. Fährt man mit 300 Sachen in eine Wand, so hinterlässt es kaum Spuren an eurem Fahrzeug. Das Schadensmodell hinter GT5 ist sehr, sagen wir mal, speziell aufgebaut. Zunächst einmal gibt es Unterschiede zwischen dem Schadensmodell bei den Standard- und Premiumautos. Zum anderen wird das Schadensmodell nur schrittweise eingeschaltet. Erreicht ihr Level 20 im Karrieremodus, nehmen eure Fahrzeuge optische Schaden an. Sobald Level 40 erreicht wurde, haben diese Schäden auch Einfluss auf das Gameplay. Für unseren Geschmack ist das Ganze aber weit davon entfernt als zeitgemäß eingestuft werden zu können. Da hat die Konkurrenz dem japanischen Entwickler einiges Voraus.
Eine große Schwäche der Serie konnte darüber hinaus auch im fünften Teil nicht abgelegt werden. Das Verhalten der vom Computer gesteuerten Fahrzeuge ist einfach schwach und entspricht (gefühlt) den Erfahrungen aus Gran Turismo 4. Sie sind Statisten, die einzig der Ideallinie folgen und sich von nichts aus der Ruhe bringen lassen. Für euch zählt auf der Rennstrecke nur ein fehlerfreies Fahren, denn die Gegner erlauben sich in dieser Hinsicht keinerlei Blöße. Schade - würden auch die Gegner mal im Kiesbett landen, so würde das Ganze wirklich realistisch sein.
Noch eine kleine Runde
Nach all der Wartezeit ist es nur verständlich, wenn man einfach bei Gran Turismo 5 Gas geben möchte. Dazu eignet sich der Arcade-Modus, bei dem eine Reihe an Fahrzeugen und fast alle Strecken zur Verfügung stehen und nicht erst freigespielt werden müssen. Man darf sich hier an Einzel-, Zeit- und auch Driftrennen probieren oder auch im Splitscreen-Modus mit einem Freund um die Wette fahren. Sollte keiner in der Nähe sein, kann man alternativ dem Online-Modus einen Besuch abstatten. Dieser hatte in den ersten Tagen nach der Veröffentlichung von Gran Turismo 5 zwar etwas mit dem Ansturm zu kämpfen, läuft jetzt aber relativ reibungslos ab. Der Online-Modus bietet euch aber leider nur die Möglichkeit Rennen zu fahren. Es gibt weder Credits, noch Erfahrungspunkte oder gar kein Online-Handel. Das hätte die Motivation immens gesteigert, aber so verkommt es zu einer kleinen Option für zwischendurch.
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Etwas mehr Kreativität hätte auch dem Rennstrecken-Editor gut getan, denn was sich in der Theorie so komplex anhört, entpuppt sich in der Praxis lediglich als kleine Spielerei. Im Editor ist es lediglich möglich vorgegebene Strecken in seinen Details zu verändern. So kann man bestimmen wie scharf eine Kurve sein soll und ob ein Streckenabschnitt eine Gerade zum Rasen beinhalten soll. Zwar kann man die Strecken anschließend ganz nach seinem eigenen Gusto benennen und Online mit anderen Spielern austauschen, einen besonderen Reiz beinhaltet das Ganze aber nicht.
Positiv:
+ Autopornografie at its best
+ die Premiumautos sind absolut hochwertig...
+ ...und kommen in den imposanten Stadtstrecken so richtig zur Geltung
+ riesiger Fuhrpark
+ unvergleichbare Fahrphysik
+ der GT-Modus und all seine Möglichkeiten bietet Rennspaß für Monate
+ immer wieder neue fahrerische Herausfordungen: Rally, NASCAR, Kart usw.
+ optional: 3D-Darstellung und Headtracking
Negativ:
- eine Unterteilung in Premium- und Standardautos (keine Cockpitansicht bei den Standardautos und deutlich schwächere Optik)
- der Fuhrpark ist gigantisch, aber leider auch nur mit vielen Varianten der selben Fahrzeugtypen künstlich in die Höhe getrieben
- hoher Festplattenbedarf und viele Ladezeiten
- Wechselbad der Gefühle: Die Grafikqualität schwankt von Wagen zu Wagen und Strecke zu Strecke
- das Schadenssystem ist nicht zeitgemäß
- umständliche Navigation in den Menüs (keine Suchfunktion für Autos etc.)
- Schwächen der KI wurden aus dem Vorgänger übernommen
- teilweise wirklich fiese Schatteneffekte