Erinnert man sich an das, was man vor dem Release von Medal of Honor erwartet hat, so ist das Spielerlebnis unterm Strich enttäuschend. EA hat die Serie nicht erfolgreich ins Leben zurückgeholt, sondern ihr die Identität geraubt. Medal of Honor war eine stolze Reihe, ist jetzt aber endgültig ins Mittelmaß zurückgefallen und lebt nur von den Ideen anderer Spiele - nur machen die das wesentlich besser. Es ist viel Call of Duty mit eingeflossen und im Mehrspieler reichlich Battlefield - der kommt ja auch von DICE. Die beiden genannten Spiele sind qualitativ jedoch um einiges besser und mit den anderen Hochkarätern diesen Winter hat Medal of Honor es nicht leicht.
Der Singleplayer ist in zehn Missionen aufgeteilt, die alle nicht sonderlich lange dauern und das Soloerlebnis damit nicht besonders umfangreich gestalten. Nicht geglückt ist EA dabei der Schwierigkeitsgrad und wer sich selber nicht als Anfänger einstuft, darf direkt auf "Hard" beginnen. Anfangs ist man noch Teil eines Sonderkommandos, man schlüpft im Spielverlauf aber in die Haut verschiedener Charaktere, was sich auch spielerisch bemerkbar macht und eure Vorgehensweise maßgeblich beeinflusst. Unterwegs seid ihr übrigens im Nahen Osten, nur das EA diesmal keinen fiktiven Staat erfindet, sondern die Taliban klar und deutlich benennt und Afghanistan und Pakistan als Terrorstaaten identifiziert. Mit Pistolen, Scharfschützengewehren und diversen anderen Maschinenpistolen marschiert ihr durch Bergregionen, säubert Höhlen und kleinere Dörfer, sprengt wichtige Brücken und schießt so ziemlich auf alles was sich bewegt. Die Widersacher selber haben wenig KI abbekommen und nutzen keinerlei Strategien. Sie hören euch nicht richtig und leben von fade gescripteten Events, die euch nicht überraschen und das Spiel relativ geradlinig und langweilig erscheinen lassen. Verstärkt wird das durch die kleinen Level, die sich aufgrund der unsichtbaren Wände tatsächlich sehr schlauchartig spielen. Medal of Honor ist zudem nicht sonderlich schnell, die Figuren bewegen sich träge und die Steuerung ist weit von der Genrereferenz entfernt.
Aber, und das halten wir EA zu Gute, das Spiel wird mit der Zeit besser. Ärgert man sich auf dem Quad noch über die schlechte Steuerung und die öde Berglandschaft, sitzt man später grinsend am Geschütz eines Apache Hubschraubers. Zur Mitte hin werden auch die Missionen packender und trotz der fehlenden Ideen wird die Atmosphäre besser. Das Teamgefühl ist sowieso ganz gut gelungen, eure Truppe unterhält sich dauerhaft, es wird viel kommuniziert und ihr seid wirklich ein Bestandteil eurer Truppe. Die Synchro, wir haben uns für die englische Version entschieden, ist auf hohem Niveau und richtig gut geworden. Wenn man also am Ball bleibt, entwickelt sich aus dem Trauerspiel ein ganz netter Shooter, der trotzdem weit davon entfernt ist zu begeistern. Leitern kann man nicht hocklettern, Türen nur dann öffnen wenn EA das möchte und das komplette Gameplay wirkt uninspiriert. Hinzu kommt der geringe Wiederspielwert, undurchdacht verteilte Checkpoints und der technische Aspekt leider auch. Denn auch in Sachen Grafik ist Medal of Honor keine Instanz mehr. Teilweise sehen die Explosionen wirklich schlecht aus, die Animationen sind stellenweise sehr hakelig und der ganze Look ist nicht unbedingt auf Hochglanz poliert. Schlecht sieht der Ego Shooter nicht aus. Stellenweise gibt es grandiose Atmosphäre mit Nebel oder Rauchschwaden in der Ferne, es gibt eine nette Nachtsicht und die Charaktermodelle können sich auch sehen lassen.
Der Mehrspieler ist von DICE programmiert worden, die sich zuletzt mit Bad Company 2 ins Herz von Actionfreunden geschossen haben. Was die Jungs und Mädls hier allerdings abgeliefert haben kommt in keinem Belang an selbiges heran. Es gibt weniger Charakterklassen, wesentlich weniger Einstellungsmöglichkeiten, weniger Spielmodi, weniger Karten, quasi keine Fahrzeuge und auch die Umgebung kann nicht zerstört werden. Bedenkt man jetzt noch das die Karten wesentlich kleiner sind, so fehlt Medal of Honor so ziemlich all das, was Bad Company so unwiderstehlich gemacht hat. Das führt unterm Strich zu unheimlich vielen Campern, da es spielerisch nur wenig Abwechslung gibt und die meisten Aktionen nach gleichem Schema ablaufen. Teamplay ist nicht wirklich notwendig und nur langsam gewöhnt man sich an das Spiel. Denn auch hier wird es mit der Zeit immer besser, sofern man sich überwindet und ebenfalls hin und wieder als Scharfschütze im Hintergrund agiert. Das Spiel zudem sehr unrund und wird immer wieder von kleineren Lags unterbrochen. Nur selten ruiniert das die eigene Statistik, es unterstreicht aber die scheinbar sehr minimalen Bemühungen von DICE einen anständigen Mehrspieler auf die Beine zu stellen.
Alles in allem haben wir zwei Gesichter von Medal of Honor vor der Nase. Single- und Multiplayer unterscheiden sich aufgrund der unterschiedlichen Entwickler stark voneinander, rangieren aber auf gleichem Niveau. EA hat schlecht kopiert und wenig selber gemacht, zahlreiche Kinderkrankheiten und Anfängerfehler im Spiel gelassen und schenkt uns so ein Spielerlebnis, welches dem großen Namen nicht würdig ist. Wer das Spiel zum halben Preis ersteht wird es nicht bereuen, den Vollpreis könnt ihr euch aber sparen.
